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Ein Jahr nach dem Untergang von Christoph 19

20.01.2004

Hohnstorf (NDS) ::  Exakt ein Jahr liegt am heutigen Dienstag das jüngste Flugunglück mit tödlichem Ausgang in der Geschichte der deutschen Luftrettung zurück. Es war der 20. Januar 2003, als mit der BO 105 CBS-5 "D-HLFB" ein Stück des großen Vertrauens in die Sicherheit des Flugbetriebes der Rettungsfliegerei versank. Was war geschehen?

Ausgangssituation

Den meisten Lesern dürften die Bilder und Nachrichten des 20.01.2003 sowie der darauffolgenden Zeit noch gut im Gedächtnis sein. "Christoph 19", einer der Rettungshubschrauber der ADAC-Luftrettung, befand sich auf dem Rückflug von Hamburg zu seinem Standort im niedersächsischen Uelzen. Zum Einsatz kam eine BO 105 CBS-5; die Besatzung bestand wie üblich aus je einem Piloten, Rettungsassistenten und Notarzt. Ein Patient war nicht an Bord, es war auch keine Eile geboten.

Das Unfallgeschehen

In der Nähe der Kleinstadt Hohnstorf endete der Flug des Rettungshubschraubers nach einem scheinbar sinnlosen und unverständlichen Flugmanöver:
Der Pilot steuert seine Maschine geradewegs unter einer Straßenbrücke über den vereisten Elbe-Seitenkanal hindurch. Dabei ist der Abstand zwischen Wasser und Brückenunterkante kaum größer als die Höhe der BO 105 beträgt. Der Pilot schafft es, die "D-HLFB", Baujahr 1995, unter der Brücke hindurchzusteuern. Doch als er nach dieser waghalsigen Aktion den Hubschrauber wieder auf die normale Flughöhe zu bringen versucht, überschreitet er die Belastungs- und Leistungsgrenzen seines Fluggeräts. Die traurige Konsequenz: Der Drehflügler sackte ab und bekam, mit dem Heck zuerst, Berührung mit dem von Eisschollen übersäten Wasser des Kanals.

Versuche zur Rettung und Bergung

Unausweichlich versank die ganze Maschine innerhalb von Sekunden darin. Währenddessen schafften es Pilot und Rettungsassistent, die BO 105 zu verlassen und sich schwimmend an Land zu retten. Zunächst waren noch ihrerseits Versuche unternommen worden, dem Notarzt bei der Befreiung aus dem Wrack zu helfen. Diese scheiterten jedoch; der Arzt hatte es nicht geschafft, sich zu retten. Erst am Abend desselben Tages schafften es Bergungsspezialisten, die Überreste des Hubschraubers aus dem Kanal zu heben. Lange Zeit waren Suchaktionen von Helfern wegen des starken Eisganges ohne Ergebnis verlaufen.

Ermittlungen zur Sache

Die Ermittlungen, Untersuchungen usw., die sich dem Vorfall anschlossen, ergaben ein klares Bild, das sich wie oben beschrieben darstellte. Erneut wurde damit die gerade nach dem Absturz des Hamburger Rettungshubschraubers "SAR 71" am 14.03.2002 wieder aufgeflammte Debatte um den "human error" in der Luftfahrt wiederbelebt. Gerade das sogenannte "Crew Resource Management" (CRM), welches der ADAC sein komplettes fliegendes Personal ständig durchlaufen lässt, wurde nun noch einmal hinterfragt. Die ADAC Luftrettung setzt inzwischen voll auf das CRM. Es wird auch von unabhängigen Beobachtern der 'Branche' Luftrettung als gute Möglichkeit gesehen, das eingesetzte Personal als Reaktion auf die besonders hohen Anforderungen in der Luftrettung in Bezug auf Teamgeist sowie kooperative und effiziente Zusammenarbeit zu trainieren. Gerade in schwierigen Konfliktsituationen, bei denen sich fliegerische und medizinische Interessen kreuzen, setzt dieses Trainingsprogramm an. Sollte dieser Lehrgang sein Ziel verfehlt haben angesichts der Tatsache, dass ein Pilot, der das CRM erfolgreich durchlaufen hatte, seinen Hubschrauber durch verantwortungsloses Fliegen eines Stunts zum Absturz bringt?

Die Meinungen zu dieser Frage können sich natürlich in einem breiten Spektrum bewegen. Dennoch scheint die seither vergangene Zeit sowie der vor dem 20.01.2003 sehr sichere Flugbetrieb des ADAC Sinn und Zweckmäßigkeit des CRM deutlich zu unterstreichen. Für jeden, der diese Meinung (wie der Autor dieses Textes) vertritt, bleibt dann leider nur die traurige Gewissheit, dass der "human error" trotz aller Prävention nie aus dem Flugbetrieb eliminierbar scheint.

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