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SAR-Privatisierung in Großbritannien: Skepsis & Kritik

05.04.2013

London (GB) ::  Das britische Militär zieht sich nach über 70 Jahren aus dem Such- und Rettungsdienst zurück. Bislang wurde das SAR-Geschehen über den britischen Inseln von den gelben Sea King HAR.3 der Royal Air Force und den grau-roten Sea King HAR.5 der Seeluftstreitkräfte (Fleet Air Arm) dominiert, aber nun soll diese Aufgabe in zivile Hände gegeben werden. Dieser mit Einsparungen im Verteidigungshaushalt begründete Schritt wurde vom britischen Verteidigungsministerium (MoD) bereits vor einiger Zeit angekündigt.

Pläne von Bristow

Neuerliche Bewegung kam jüngst (Ende März 2013) durch das Auswahlverfahren für den neuen Betreiber der Hubschrauber im Such- und Rettungsdienst in die Sache. Die mittlerweile in den Vereinigten Staaten ansässige Bristow Group Ltd. konnte den 1,6 Milliarden GBP (etwa 1,9 Mrd. EUR) schweren Auftrag für sich gewinnen. Zu diesem Zweck sollen ab 2015 insgesamt 22 neue Hubschrauber der Typen Sikorsky S-92 und AgustaWestland AW189 (verbesserte und vergrößerte Version der AW139) in Betrieb genommen werden, die im Jahr 2017 ihre volle Einsatzkapazität erreicht haben sollen. Die Beauftragung ist zunächst bis zum Jahr 2026 befristet.

Bristow betritt mit dem Engagement im SAR kein Neuland. Das große (vormals britische) Hubschrauberunternehmen mit seiner Europa-Zentrale in Aberdeen profitiert von Jahrzehnte langer Erfahrung in der Offshore-Fliegerei in vielen Winkeln der Erde. Bereits von 1971 bis zum Jahr 2007 betrieben sie die (zusätzlich zu den militärischen vorgehaltenen) SAR-Hubschrauber der Her Majesty‘s Coast Guard bevor der Branchenkonkurrent CHC den Auftrag der Maritime and Coastguard Agency (MCA) gewann.

Änderungen bei den Standorten

Mit dem Betreiberwechsel wird auch eine neue Standortdislozierung einhergehen: Die RAF-Standorte Boulmer, Chivenor, Leconfield, Lossiemouth, Wattisham, Valley sowie die FAA-Standorte Culdrose und Prestwick werden entfallen. Stattdessen sieht die derzeitige Planung vor, die für Langstreckeneinsätze vorgehaltenen S-92-Hubschrauber an zivilen Flughäfen bzw. Flugplätzen in Stornoway, Sumburgh, Newquay, Caernarfon und Humberside zu stationieren. Die kleineren AgustaWestland AW189 werden in Lee-on-Solent, Prestwick , St Athan, Inverness und Manston ihre neue Heimat finden. Jede Basis wird mit zwei Maschinen ausgestattet sein. Die Verteilung der Standorte wurde so gewählt, dass jeder Punkt innerhalb des vereinigten Königreiches binnen 30 Minuten Flugzeit erreicht werden kann.

Personelle Konsequenzen

Um personelle Ressourcen für die neue Aufgabe zu schaffen, verspricht die Bristow Group 350 neue Arbeitsplätze in diesem Firmenzweig, 200 davon für fliegerische Besatzungsangehörige. Einerseits betonte ein Pressesprecher der RAF, dass durch die Maßnahme keine Jobs verloren gingen, jedoch können die Einstellungsvoraussetzungen von Bristow derzeit von den militärischen Sea King-Besatzungen noch nicht erfüllt werden. Hier gibt es derzeit noch offene Fragen zu klären.

Kritik

Das Vorhaben stößt jedoch trotz der durch das MoD und Bristow angekündigten Vekürzung der Anflugzeiten auch auf Skepsis. Insbesondere Lokalpolitiker aus den Regionen der bisherigen Standorte befürchten eine Verschlechterung ihrer Abdeckung. Albert Owen, Parlamentarier für die Insel Anglesey nannte die Privatisierung einen „Schritt ins Ungewisse“. „Anstatt Geld zu sparen, setzen sie lieber Menschenleben aufs Spiel", so Owen weiter. Der Generalsekretär der Verkehrs- und Transportgewerkschaft, Bob Crow äußerte Bedenken über die Sicherheit der Besatzungen und der Versorgungsqualität. Auch der walisische Abgeordnete Ieuan Wyn Jones zweifelt, ob der private Anbieter eine vergleichbar gute Dienstleistung erbringen könne. Verteidigungsexperte Howard Wheeldon stellte die Frage, ob die privaten Betreiber ebenso bereit wären, die gleichen Risiken einzugehen, wie Royal Air Force und Royal Navy.

Inwiefern diese Form des Public-Private-Partnerships auch als Beispiel für SAR-Dienst in Deutschland dienen kann und ggf. wird bleibt indes ungewiss. Zu der jüngsten Beschaffungsentscheidung über den Ankauf von 18 Marinehubschraubern MH-90 NG kann berechtigterweise die Frage aufgeworfen werden, ob hier noch ein Spielraum für ein SAR-Engagement bleiben wird.

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