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11. April 1968: Start frei für “Florian Frankfurt Hubschrauber 1“

11.04.2018

Frankfurt am Main (HES) ::  Heute vor genau 50 Jahren, am 11. April 1968, seinerzeit Gründonnerstag, stationierte die Feuerwehr Frankfurt am Main versuchsweise einen besonderen Notfall-Hubschrauber an der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik im Frankfurter Stadtteil Seckbach. An insgesamt acht Einsatztagen über die Oster- und Pfingstfeiertage unterstützte der Hubschrauber von 7 Uhr bis Sonnenuntergang die bodengebundenen Rettungskräfte im Rhein-Main-Gebiet im “Kampf gegen den Unfalltod“ und leistete damit einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung des “Unfallrettungsdienstes“. Allerdings dauerte es anschließend noch mehr als vier Jahre, bis in Frankfurt am Main ein regulärer Rettungshubschrauber dauerhaft stationiert wurde: die Ära des Zivilschutz-Hubschraubers (ZSH) “Christoph 2“ begann erst am 15. August 1972.

Als Hubschraubermuster kam in Frankfurt a. M. die Boeing-Vertol H-21C zum Einsatz

Als Hubschraubermuster kam in Frankfurt a. M. die Boeing-Vertol H-21C zum Einsatz

Foto: Museumsarchiv Feuerwehr Frankfurt a. M.

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1967 hatten der damalige Leitende Oberbranddirektor der Frankfurter Feuerwehr Ernst Achilles und der Leitende Polizeiarzt Dr. Th. Kunz den dreiwöchigen Not-Arzt-Hubschrauber-Feldversuch des praktizierenden Arztes Hans-Werner Feder aus Ober-Mörlen (Kreis Friedberg) in Neu-Anspach (Kreis Usingen) aufmerksam verfolgt (rth.info berichtete) und für das Frühjahr 1968 einen eigenen Versuch im Rhein-Main-Gebiet angekündigt. Wichtig war beiden, dass die vom Hubschrauber-Notarzt versorgten Patienten anschließend auch auf dem Luftwege in geeignete Krankenhäuser gebracht werden konnten. Da zudem auch die technische Unfallrettung im Fokus stand, entschied man sich deshalb in Frankfurt am Main für einen gänzlich anderen Ansatz als in Neu-Anspach: Der Hubschrauber musste größer sein! Und das wurde er dann auch.

Den Hubschrauber vom Typ Boeing-Vertol H-21C – aufgrund der gekrümmten Form seines Rumpfes im Volksmund als “Fliegende Banane“ bekannt – stellte die Heeresfliegertruppe der Bundeswehr aus Niedermendig für die beiden Versuchszeiträume kostenfrei zur Verfügung. Maschinen dieses Typs waren von der Bundeswehr bis 1967 auch als SAR-Hubschrauber eingesetzt worden. Der großräumige Helikopter bot Platz für insgesamt vier liegende und vier sitzende Patienten und hatte eine siebenköpfige Besatzung: zwei Piloten und einen Bordmechaniker von der Bundeswehr, einen Notarzt der Unfallklinik, zwei Sanitäter und einen Einsatzleiter der Feuerwehr Frankfurt am Main. Letzterer war als Funker für die Kommunikation mit der Bodenstation verantwortlich. Die notfallmedizinische Ausstattung des Hubschraubers entsprach den damals in Frankfurt am Main eingesetzten Notarztwagen auf Basis des so genannten Düsseldorfer Transporters von Mercedes-Benz und orientierten sich an der im Jahr zuvor erlassenen DIN 75080 für Rettungsdienstfahrzeuge. Für die Rettung eingeklemmter Personen bei Verkehrsunfällen wurden Brechwerkzeuge verschiedener Art und ein Karosserieschneider mitgeführt. Des Weiteren befanden sich an Bord mehrere Arbeitsleinen sowie zwei 12 kg-Pulverlöscher. Der Aktionsradius des Hubschraubers wurde – wie schon bei Feders Versuch in Neu-Anspach – auf 15 Minuten Flugzeit ausgelegt.

Koordiniert wurden die Einsätze durch einen Kommandobus der Frankfurter Feuerwehr, den diese für die Zeit der beiden Testphasen auf dem Gelände der BG Unfallklinik in der Nähe des Landesplatzes stationierte. Dieser hielt Verbindung zur Einsatzleitstelle der Feuerwehr Frankfurt am Main, der Krankentransportleitstelle und zur Funkleitzentrale der hessischen Polizei. Zur Kommunikation zwischen Bodenleitstelle und Hubschrauber baute man in den Hubschrauber zusätzlich ein Funkgerät FuG 7 b ein. Im BOS-Funk wurde der Hubschrauber als “Florian Frankfurt Hubschrauber 1“ bezeichnet. Darüber hinaus standen Boden- und fliegender Crew umfangreiches Kartenmaterial mit allen wichtigen Angaben über Zu- und Abfahrten, Kilometerangaben und besonderen Merkmalen von Straßen zur Verfügung. Insgesamt wurden in den beiden Versuchszeiträumen etwa fünfzehn Einsätze bei schweren Verkehrsunfällen an Autobahnen und Bundesstraßen im gesamten Rhein-Main-Gebiet geflogen.

Koordiniert wurden die Einsätze durch einen Kommandobus der Feuerwehr Frankfurt a. M., den diese für die Zeit der beiden Testphasen auf dem Gelände der BG Unfallklinik in der Nähe des Landesplatzes stationierte

Koordiniert wurden die Einsätze durch einen Kommandobus der Feuerwehr Frankfurt a. M., den diese für die Zeit der beiden Testphasen auf dem Gelände der BG Unfallklinik in der Nähe des Landesplatzes stationierte

Foto: Museumsarchiv Feuerwehr Frankfurt a. M.

Auf den interessanten Hubschrauber-Testeinsatz in und um Frankfurt am Main, der aus heutiger Sicht ein wenig kurios anmutet, und die sich daraus ergebenden Konsequenzen für den Aufbau der Luftrettung in der Bundesrepublik wird rth.info in einer gesonderten und reich bebilderten Reportage noch ausführlicher eingehen. Sie wird in Kürze erscheinen.

Quellen

  • Benjamin Homberg: Wir fliegen damit Sie leben (Hanau 1985)
  • Beitrag “Die Geschichte der Luftrettung in Frankfurt am Main“, in: Museums-Depesche – Informationsschrift des Feuerwehrgeschichts- und Museumsvereins Frankfurt am Main e. V., Ausgabe Nr. 22 vom August 2015, S. 3-12
  • www.christoph2.de/luftrettungszentrum/#historie
  • Archiv rth.info

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Autor

Wir danken für Unterstützung:
Herrn Ralf Keine vom Feuerwehrgeschichts- und Museumsverein Frankfurt am Main e. V. sowie Herrn Thorsten Brückner von der Pressestelle der Feuerwehr Frankfurt am Main

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Wir vom Nachrichtenmagazin rth.info berichten ehrenamtlich über Rettungshubschrauber, also notfallmedizinisch ausgerüstete und besetzte Helikopter, die im Rettungsdienst eingesetzt werden. Hubschrauber sind wertvoll als Rettungsmittel, da sie schnell, wendig und unabhängig vom Straßennetz sind. Ebenso dienen sie zum eiligen Transfer von Intensivpatienten zwischen Kliniken.

Für die Luftrettung besteht ein dichtes Standortnetz – sowohl von Rettungshubschraubern, als auch von Intensivtransport-Hubschraubern für den Interhospitaltransfer (siehe unsere Standortkarte). Die Standorte werden von staatlichen und nichtstaatlichen Betreibern unterhalten. Die ADAC Luftrettung stellt die meisten zivilen Rettungshubschrauber in Deutschland. Die DRF Luftrettung betreibt auch besonders viele Luftrettungszentren in Deutschland. Ihr Vorgänger war die Deutsche Rettungsflugwacht e.V. – bis zum Wechsel von Name und Rechtsform (2008). Weitere wichtige Betreiber, darunter das Bundesministerium des Innern mit seinen Zivilschutzhubschraubern, stellen wir hier vor.

Hubschrauber ergänzen den Rettungsdienst am Boden in medizinischen Notlagen. Sie sollen nicht den Bodenrettungsdienst ersetzen, da Rettungshubschrauber nicht allwetterfähig sind. Luftretter unterscheiden mehrere Einsatzarten. Die wichtigsten sind primäre Notfalleinsätze an einem Einsatzort und sekundäre Patiententransporte von einer Klinik zur anderen. In der Luftrettung kommt komplexe notfallmedizinische Technik zum Einsatz, die u.a. Anaesthesie, Chirurgie, Innere Medizin und Pädiatrie abdeckt.

"Helicopter Emergency Medical Services", kurz HEMS, ist die englische Bezeichnung für Luftrettungsdienst. Der Assistent des Notarztes wird daher als HEMS TC bzw. HEMS Crew Member bezeichnet. Zahlreiche Piloten verdienen in der Luftrettung ihren Lebensunterhalt – für viele Fans ein Traumberuf. Die Betreiber setzen viele Flugstunden und Erfahrung voraus.

Der aktuell bedeutsamste europäische Hubschrauberhersteller ist Airbus Helicopters mit seinen Baumustern H135, H145, und weiteren. Der US-amerikanische Hubschrauberhersteller Bell hat mit den Baumustern Bell 212, Bell 222, Bell 412, die Luftrettung mit geprägt, aber seit ca. 2010 Marktanteile an Airbus Helicopters verloren. Beschreibungen weiterer Hubschrauber-Hersteller finden Sie in unseren Typentexten.

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