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30 Jahre Luftrettung über der Lüneburger Heide

23.09.2011

Heute vor dreißig Jahren (im Jahre 1981) beschränkte sich die organisierte Luftrettung in Deutschland (West) noch auf rund 25 Standorte. In Niedersachsen war zwischen Hannover, Hamburg, Bremen – eine Hauptreisestrecke von Norden nach Süden – keine Hilfe aus der Luft vorhanden. Im gesamten Bundesland standen neben Hannover und Göttingen, einem privaten Anbieter in Sanderbusch, noch Christoph 6 in Bremen und ein Bremer Ambulanzhubschrauber bereit.

Die damalige Landesregierung suchte nach Lösungen, um die Situation zu entschärfen. Übrigens: ein Rettungsdienstgesetz war zu diesem Zeitpunkt noch nicht vorhanden. Das damals zuständige Sozialministerium unter Minister Hermann Schnipkoweit setzte auf Bewährtes und betrat dennoch bundesweit Neuland: Der Ausbau des Netzes von Zivilschutzhubschraubern aus Mitteln des erweiterten Katastrophenschutzes wurde mit der Indienststellung von „Christoph 17“ im Jahre 1980 als abgeschlossen betrachtet und weder ADAC noch DRF standen für den eigenverantwortlichen Betrieb eines RTH zur Verfügung.

Daher wurde beschlossen, dass die Polizeihubschrauberstaffel Hannover interimsweise einen Hubschrauber und Personal für den Betrieb eines RTH stellt. Eigens für diesen Zweck wurde ein zweiter Hubschrauber des Typs SA 365C2 Dauphin mit der Kennung „D-HOPQ“ beschafft, der am 21. September 1981 unter dem Rufnamen „Phönix 14“ seinen Dienst am damaligen Kreiskrankenhaus Uelzen aufnahm. Bis Ende 1982 flog man in Schnitt zwei Einsätze pro Tag, und dies in einem Einsatzgebiet, welches damals als besonders anspruchsvoll galt. Neben der Nähe zur innerdeutschen Grenze war auch noch auf Besonderheiten des NATO-Truppenübungsplatzes Bergen/Münster zu achten.

Nachdem der ADAC in Uelzen den Betrieb übernahm half die Polizei weiter beim Ausbau der Luftrettung in Niedersachsen: Hier „Phönix 14“ am Städtischen Krankenhaus Wolfenbüttel

Nachdem der ADAC in Uelzen den Betrieb übernahm half die Polizei weiter beim Ausbau der Luftrettung in Niedersachsen: Hier „Phönix 14“ am Städtischen Krankenhaus Wolfenbüttel

Foto: Archiv rth.info

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Ein damals wie heute verbreitetes Phänomen machte auch um Uelzen keinen Bogen. In einer Hamburger Ausgabe der „WELT“ konnte man damals lesen: „Oberstudienrat stoppt in Uelzen Rettungshubschrauber“. Besagte Person fühlte sich in ihrer Ruhe gestört und dies bedeutete dann wirklich in vielen Dingen ein „no go“. Mit zusätzlichen finanziellen Mitteln wurde daraufhin ein Lärmschutzwall am Landeplatz aufgeschüttet und der Betrieb konnte ungehindert fortgesetzt werden.

Starthilfe durch das Land Niedersachsen: Die ersten 18 Monate stellte das Land eine SA-365 C2 Dauphin der Polizeihubschrauberstaffel Hannover mit dem Rufnamen „Phönix 14“ für den Luftrettungsdienst. Die Aufnahme entstand am Universitätsklinikum Eppendorf

Starthilfe durch das Land Niedersachsen: Die ersten 18 Monate stellte das Land eine SA-365 C2 Dauphin der Polizeihubschrauberstaffel Hannover mit dem Rufnamen „Phönix 14“ für den Luftrettungsdienst. Die Aufnahme entstand am Universitätsklinikum Eppendorf

Foto: Dirk Weinberg

Die „ADAC Motorwelt“ veröffentlichte in der März-Ausgabe von 1983 in einem Beitrag, dass der ADAC den 4. Luftrettungsstützpunkt (nach Bayreuth, Siegen und Sanderbusch) in Uelzen übernommen habe. Fortan war der Funkrufname „Christoph 19“ und zum Einsatz kam eine BO 105 CB. Besonderheit an dieser Maschine: sie hatte seitlich zwischen den Kufen den Schriftzug „NOTARZT“. Kurz darauf, genauer gesagt am 27. April 1983, kam dann in Uelzen eine BO 105 CBS zum Einsatz. In den 80er Jahren verfügte die noch junge ADAC Luftrettung GmbH jedoch noch nicht über eigene Springermaschinen zur Überbrückung von wartungsbedingten Ausfällen. So kam es auch in Uelzen vor, dass man am Standort eine AS-350 Ecureuil des damaligen Helicopter Service Hannover antraf. Sogar eine Bell 206 L LongRanger der DRF soll ein kurzes Vertretungs- Gastspiel in Uelzen gegeben haben. Seit der Übernahme durch den ADAC konnte auch der neu errichtete Hangar am Standortkrankenhaus genutzt werden. Übrigens: Bevor der Hangar gebaut wurde flog der jeweils diensthabende Pilot die Dauphin der Polizei jeden Tag morgens vom Staffelstandort Hannover nach Uelzen und abends wieder zurück.

Im April 1983 übernahm der ADAC die Station. Seither lautet der Funkrufname „Christoph 19“. Diese Bild entstand um 1985.

Im April 1983 übernahm der ADAC die Station. Seither lautet der Funkrufname „Christoph 19“. Diese Bild entstand um 1985.

Foto: Archiv Felix Troschier via ADAC

Durch die politischen Veränderungen im Jahre 1990 erweiterte sich das Einsatzgebiet des grenznahen Standortes Uelzen schlagartig in Richtung Osten. Die Zeiten vor der Wende waren mit Schwierigkeiten verbunden: So lag der Standort des RTH mitten in der ADIZ (Air Defense Identification Zone), einer Flugverbotszone entlang der innerdeutschen Grenze. Für jeden Tag musste bei der Flugsicherung in Bremen ein Flugplan aufgegeben werden. Zum Glück ist das jedoch Geschichte. Die Einsätze im benachbarten Sachsen-Anhalt stiegen stetig an und machen heute rund 6% der Flüge aus.

Seit April 1983 kam in Uelzen eine BO-105 CBS zum Einsatz....

Seit April 1983 kam in Uelzen eine BO-105 CBS zum Einsatz....

Foto: Philipp Schulze

"Spektakuläre Einsätze" – diesen Begriff sollte man in der Luftrettung tunlichst vermeiden. Daher rein sachlich die Feststellung: „Christoph 19“ war beim Zugunglück von Eschede am 03. Juni 1998 als erstes Luftrettungsmittel vor Ort. Dieser Einsatz, der viele Opfer forderte und Unmenschliches von den Helfern abverlangte, war der bisher größte Einsatz den die Luftrettung in Deutschland leistete.

Im November 1999 machte die Schlagzeile „1. Schnee – Alarm, Auto rammte Hubschrauber“ die Runde. Zu einem Einsatz im Landkreis Uelzen wurde „Christoph 19“ damals alarmiert, kurz nach der Landung krachte ein Pkw in das Heck der BO 105, später streife auch noch ein Lkw die Rotorblätter. An der Maschine entstand Totalschaden. Für die Staatsanwaltschaft ergab sich allerdings ein anderes Bild. Für sie war “die fahrlässige Körperverletzung und Vergehen gegen das Luftverkehrsgesetz gegeben“ woraufhin gegen den Piloten von „Christoph 19“ ermittelt wurde.

Das Amtsgericht lehnte die Eröffnung eines Hauptverfahrens gegen den Piloten jedoch ab. Die Staatsanwaltschaft legte Beschwerde gegen diese Entscheidung ein. Die Beschwerdekammer beim Landgericht Lüneburg schloss sich deutlich der Auffassung des Amtsgerichts an und wies die Beschwerde der Staatsanwaltschaft zurück. Aus dem erstellten Gutachten sei eindeutig zu entnehmen, der Pilot habe nach allen Regeln seines Handwerks verantwortungsbewusst gehandelt und die richtige Entscheidung zur Landung am Unfallort getroffen. Das Luftfahrzeug sei allein durch seine gelbe Farbe und der roten Rundumleuchte (Anmerkung: diese war durch den Rettungsassistenten aufgestellt worden) weit über 170 bis 200 Meter sichtbar gewesen. Diese Strecke hätte ausgereicht um den mit 80 km/h ankommenden Pkw – auch auf eisglatter Straße – zum Stehen bringen zu können.

Ein dunkler Tag in der Geschichte der Station war den 20. Januar 2003, als „Christoph 19“ nach einem unerlaubten Tiefflug in den Elbeseitenkanal stürzte. Pilot und Rettungsassisten konnten sich aus dem teilweise zugefrorenen Kanal retten, für den Notarzt kam jedoch jede Hilfe zu spät.

… bis diese im Juli 2004 durch eine fabrikneue EC-135 P2 abgelöst wurde (rth.info berichtete).

… bis diese im Juli 2004 durch eine fabrikneue EC-135 P2 abgelöst wurde (rth.info berichtete).

Foto: Philipp Schulze

Erste exklusive Fotos der EC 135 P2 am Standort Uelzen konnte rth.info am 14. Juli 2004 ins Netz stellen, drei Tage später wurde die Maschine offiziell in Dienst gestellt. Trotz der schnelleren und leistungsfähigeren Einsatzmaschine stellte man seitens des ADAC Niedersachsen / Sachsen-Anhalt für das Jahr 2005 fest, dass in Sachsen-Anhalt „Christoph 19“ zu selten angefordert werde. Für den Standort Uelzen habe man nur neun Einsätze ins benachbarte Bundesland verzeichnet. Inzwischen hat sich dies aber gewandelt. Im Vergleich zu 2005 konnte von 2006 bis 2010 ein Zuwachs von 150 Einsätzen verzeichnet werden. Bis 2010 wurde „Christoph 19“ im Schnitt insgesamt 1400 mal pro Jahr angefordert.

Zum 30-jährigen Bestehen des Luftrettungsstandortes fanden sich geladene Gäste aus Politik, Verwaltung, Klinik und Einsatzorganisationen zu einer Feierstunde zusammen

Zum 30-jährigen Bestehen des Luftrettungsstandortes fanden sich geladene Gäste aus Politik, Verwaltung, Klinik und Einsatzorganisationen zu einer Feierstunde zusammen

Foto: Philipp Schulze

In 2011 wird man erstmals die Marke von 1500 Einsätzen überschreiten, hieß es auf der Feierstunde zum 30-Jährigen Jubiläum am 21.09.2011. Dies unterstreicht die Bedeutung des Luftrettungsmittels in der ländlich geprägten Region. Insbesondere für Schlaganfall- und Herzinfarktpatienten sei die schnelle Hilfe aus der Luft von großer Bedeutung, so die stellvertretende Ärztliche Direktorin des Rhön-Klinikums Uelzen bei ihrer Rede anlässlich des Jubiläums. Während der Jubiläumsfeierlichkeiten hob „Christoph 19“ zum genau 28.927-mal ab, um im Raum Lüneburger Heide dringend benötigte Hilfe aus der Luft zu leisten.

Friedrich Rehkopf, Geschäftsführer der ADAC Luftrettung GmbH, führte als Moderator durch die Grußworte

Friedrich Rehkopf, Geschäftsführer der ADAC Luftrettung GmbH, führte als Moderator durch die Grußworte

Foto: Philipp Schulze

Der Leitende Hubschrauberarzt Dr. Horst Theodor Fricke freute sich mit Stationsleiter Ralf Hartmann und ADAC-Vizepräsident für Technik, Thomas Burkhardt über das Jubiläum

Der Leitende Hubschrauberarzt Dr. Horst Theodor Fricke freute sich mit Stationsleiter Ralf Hartmann und ADAC-Vizepräsident für Technik, Thomas Burkhardt über das Jubiläum

Foto: Philipp Schulze

Fast hätte man ohne das Geburtstagskind feiern müssen, denn während der Feierlichkeiten wurde „Christoph 19“ zu seinem 28.927-ten Einsatz gerufen

Fast hätte man ohne das Geburtstagskind feiern müssen, denn während der Feierlichkeiten wurde „Christoph 19“ zu seinem 28.927-ten Einsatz gerufen

Foto: Philipp Schulze

Dass am Standort festgehalten wird, zeigen Investitionen in die Infrastruktur: Die Lager- und Hygiene- Kapazitäten des Standortes werden derzeit ausgebaut und in Kürze steht eine Sanierung sowie Erweiterung des Sozialtraktes an der Station an.

Von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang einsatzbereit – 365 Tage im Jahr - egal zu welcher Jahreszeit

Von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang einsatzbereit – 365 Tage im Jahr - egal zu welcher Jahreszeit

Foto: Philipp Schulze

“Christoph 19” im Einsatz mit den örtlichen Hilfsorganisationen

“Christoph 19” im Einsatz mit den örtlichen Hilfsorganisationen

Foto: Philipp Schulze

Pünktlich zum 30-jährigen Bestehen der Station wurde ein neuer Aufnäher herausgebracht

Pünktlich zum 30-jährigen Bestehen der Station wurde ein neuer Aufnäher herausgebracht

Foto: www.bk-helicopter-patch-design.de

Autoren

Wir danken:
Wir danken der Station von Christoph 19 für die Unterstützung

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Über rth.info und unser Themenspektrum

Wir vom Nachrichtenmagazin rth.info berichten ehrenamtlich über Rettungshubschrauber, also notfallmedizinisch ausgerüstete und besetzte Helikopter, die im Rettungsdienst eingesetzt werden. Hubschrauber sind wertvoll als Rettungsmittel, da sie schnell, wendig und unabhängig vom Straßennetz sind. Ebenso dienen sie zum eiligen Transfer von Intensivpatienten zwischen Kliniken.

Für die Luftrettung besteht ein dichtes Standortnetz – sowohl von Rettungshubschraubern, als auch von Intensivtransport-Hubschraubern für den Interhospitaltransfer (siehe unsere Standortkarte). Die Standorte werden von staatlichen und nichtstaatlichen Betreibern unterhalten. Die ADAC Luftrettung stellt die meisten zivilen Rettungshubschrauber in Deutschland. Die DRF Luftrettung betreibt auch besonders viele Luftrettungszentren in Deutschland. Ihr Vorgänger war die Deutsche Rettungsflugwacht e.V. – bis zum Wechsel von Name und Rechtsform (2008). Weitere wichtige Betreiber, darunter das Bundesministerium des Innern mit seinen Zivilschutzhubschraubern, stellen wir hier vor.

Hubschrauber ergänzen den Rettungsdienst am Boden in medizinischen Notlagen. Sie sollen nicht den Bodenrettungsdienst ersetzen, da Rettungshubschrauber nicht allwetterfähig sind. Luftretter unterscheiden mehrere Einsatzarten. Die wichtigsten sind primäre Notfalleinsätze an einem Einsatzort und sekundäre Patiententransporte von einer Klinik zur anderen. In der Luftrettung kommt komplexe notfallmedizinische Technik zum Einsatz, die u.a. Anaesthesie, Chirurgie, Innere Medizin und Pädiatrie abdeckt.

"Helicopter Emergency Medical Services", kurz HEMS, ist die englische Bezeichnung für Luftrettungsdienst. Der Assistent des Notarztes wird daher als HEMS TC bzw. HEMS Crew Member bezeichnet. Zahlreiche Piloten verdienen in der Luftrettung ihren Lebensunterhalt – für viele Fans ein Traumberuf. Die Betreiber setzen viele Flugstunden und Erfahrung voraus.

Der aktuell bedeutsamste europäische Hubschrauberhersteller ist Airbus Helicopters mit seinen Baumustern H135, H145, und weiteren. Der US-amerikanische Hubschrauberhersteller Bell hat mit den Baumustern Bell 212, Bell 222, Bell 412, die Luftrettung mit geprägt, aber seit ca. 2010 Marktanteile an Airbus Helicopters verloren. Beschreibungen weiterer Hubschrauber-Hersteller finden Sie in unseren Typentexten.

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