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30 Jahre Luftrettung in Rheine

15.01.2012

Am 14. Januar 1982, vor ziemlich genau 30 Jahren, wurde mit „SAR 76“ oder im zivilen Betrieb auch „Christoph 24“ genannt, die Luftrettungsstation in Rheine durch die Bundeswehr offiziell in Betrieb genommen. Ein zur damaligen Zeit nicht einfacher Weg, bei dem es mehrere Hindernisse zu bewältigen galt. Die Ursprünge der Station liegen im SAR-Kommando des Fliegerhorstes Rheine-Hopsten und des seinerzeit dort stationierten Jagdbombergeschwaders...

Der Landeplatz in der Nienbergstraße mit der provisorischen Unterkunft für die Crew

Der Landeplatz in der Nienbergstraße mit der provisorischen Unterkunft für die Crew

Foto: Olaf Tampier

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Anlässlich einer Jahrespressekonferenz berichtete der damalige Chefarzt der Anästhesieabteilung des Mathias-Spitals: “Nachteile für unsere Statistik ergeben sich aus der Tatsache, dass Einsätze die uns vom Rescue Coordination Centre (RCC) Goch weitergeleitet werden, nicht anrechenbar sind und somit nicht in den Einsatzzahlen der Station erscheinen. Würde dies geschehen, so hätten wir schon lange die magischen Grenze von 800 Einsätzen pro Jahr überschritten.“ Zum Vergleich wurden im Jahre 1989 767 Einsätze in die Statistik aufgenommen. Ein weiteres Problem aus Sicht des Chefarztes waren die unterschiedlichen Trägerschaften der Rettungsleitstellen: Hier seien naturgemäß Reibungspunkte nicht zu vermeiden. Hier wie überall, so führte er damals aus, könne ein Konkurrenzdenken und -handeln nicht beseitigt werden.

„SAR 76“ im Februar 1989: Bemerkenswert ist die „Zwitter-Bemalung“. Die Zelle trägt noch das alte, einfarbige Farbkleid, der Heckausleger bereits die Dreifarben-Tarnung

„SAR 76“ im Februar 1989: Bemerkenswert ist die „Zwitter-Bemalung“. Die Zelle trägt noch das alte, einfarbige Farbkleid, der Heckausleger bereits die Dreifarben-Tarnung

Foto: Klemens Hoevel

Als Sympathieträger wurde „een Heli van het speciale Duitse Notarzt – reddingsteam uit Rheine“ auch in den Niederlanden. Nicht zuletzt wurde der „SAR 76“ durchaus auch dort immer wieder zu Primäreinsätzen angefordert. Auf eine erfolgreiche grenzüberschreitende Zusammenarbeit konnte man auch schon damals mit dem Stadtkrankenhaus in Enschede verweisen. So wurden bei Kapazitätsengpässen in Deutschland pro Jahr bis zu 35 Personen in die Niederlade geflogen. Getrübt wurde diese erfolgreiche Zusammenarbeit am Einspruch der Krankenkassen, denn die Behandlungskosten in den Niederladen lagen höher als die fixen Behandlungskosten in Deutschland.

Bis zu dessen Auflösung im Jahre 1993 zeigte sich die erste Staffel des Hubschraubertransportgeschwaders (HTG) 64 aus Alhorn für die Gestellung des Hubschraubers und auch des fliegerischen Personals verantwortlich. Danach übernahm diese Aufgabe die Hubschrauberstaffel der Flugbereitschaft BmVg aus Nörvenich. Als Sanitäter flogen Luftrettungsmeister des Jagdbombergeschwaders (JaboG) 36 „Westfalen“ aus Rheine-Hopsten auf „SAR 76“ mit.

Die Unterbringungssituation war lange Zeit nicht optimal gelöst. Während der Hubschrauber auch schon vorher als SAR-Kommando für militärische und zivile Luftnotlagen (im Rahmen des ICAO-Auftrages) in Rheine-Hopsten bereitstand, wurde er 1982 auf einen Landeplatz auf freiem Feld am westlichen Stadtrand der 73000-Einwohnerstadt verlegt und somit zeitgleich in den zivilen Rettungsdienst integriert. Der diensthabende Notarzt wurde dann über Funkmeldempfänger im Krankenhaus alarmiert und mit einem Einsatzleitwagen der Feuerwehr zum rund 800 Meter entfernten Landeplatz gefahren. Eine Betankungsmöglichkeit war am Standort nicht vorhanden. Die Betankung erfolgte deshalb auf dem etwa 3km entfernten Flugplatz des Heeresfliegerregimentes 15 in Rheine-Bentlage. Dort wurde die Maschine auch nachts hangariert. Auch für die Crew war die bauliche Situation eher bescheiden. Es gab einen Pavillonbau am Landeplatz, dieser stellte neben Aufenthaltsraum und Lager gleichzeitig für das fliegerische Personal auch das Wohn-Refugium für jeweils 7-tägige Dienstschicht dar. Wie so häufig hielt diese vorübergehende Lösung länger als gedacht, denn ein ursprünglich geplanter Neubau des Mathias-Sptials mit integrierter Lande- und Unterstellmöglichkeit für den Hubschrauber blieb leider aus.

Bis Ende 1993 war das Hubschraubertransportgeschwader 64 für „SAR 76“ verantwortlich, hier ein Bild von April 1990

Bis Ende 1993 war das Hubschraubertransportgeschwader 64 für „SAR 76“ verantwortlich, hier ein Bild von April 1990

Foto: Klemens Hoevel

Die Bundeswehr hat mit viel Engagement zur Durchführung dieses Auftrages beigetragen und so war man dort naturgemäß traurig, als bekannt wurde: „Die Bundeswehr wird den Standort in Rheine abgeben.“ Für Rheine begann eine neue Diskussion, ob man mit dem Rückzug der Bundeswehr überhaupt den Standort danach aufrecht erhalten wolle. Diese Diskussion kam von der Landesregierung in Düsseldorf, dort gab es Überlegungen den Luftrettungsstandorten in NRW eine neue Struktur zu geben, woraus die Frage entstand: „Wo soll in Zukunft ein Rettungshubschrauber in NRW stationiert werden?“

Nach der Auflösung des HTG 64 wird die UH-1D von der Hubschrauberstaffel der Flugbereitschaft BmVg aus Nörvenich gestellt

Nach der Auflösung des HTG 64 wird die UH-1D von der Hubschrauberstaffel der Flugbereitschaft BmVg aus Nörvenich gestellt

Foto: Olaf Tampier

Da solche „Gedankenspiele“ eben nicht von heute auf morgen entschieden werden (dieses bedarf unterschiedlicher Gutachten, wobei örtliche Besonderheiten zu berücksichtigen sind, usw.), sollte der Nachfolger der Bundeswehr für den Standort Rheine zunächst eine auf drei Jahre befristeten Beauftragung erhalten.

Den Nachfolger der Bundeswehr, die ADAC Luftrettung GmbH interessierten diese Unwägbarkeiten nicht. Sie stellte – verbunden mit viel Energie am Verhandlungstisch – am 01.02.1998 einen Hubschrauber vom Typ EC 135 als „Christoph Europa 2“ vor. Bei der Übergabe auf dem Flugplatz in Rheine-Bentlage gingen die Festredner auch auf die Leistung der Bundeswehr ein: Sie hatte über 6.200 Flugstunden ohne Flugunfall absolviert. Der Rettungsassistent kommt seit der Übergabe der Station aus den Reihen der hauptamtlichen Kräfte des Feuerwehr- und Rettungsdienstes des Kreis Steinfurt.

1998: Feierliche Übergabe der neuen EC-135 T1 auf dem Heeresflugplatz Rheine-Bentlage

1998: Feierliche Übergabe der neuen EC-135 T1 auf dem Heeresflugplatz Rheine-Bentlage

Foto: Olaf Tampier

Einsatz am ersten Tag unter ADAC-Flagge

Einsatz am ersten Tag unter ADAC-Flagge

Foto: Olaf Tampier

Nahezu kontinuierlich stiegen die Einsatzzahlen in den vergangenen Jahren auf nun jährlich rund 1.200. Im Jahr 2003 fand das Feldmark-Provisorium in der Nienbergstraße sein Ende. Ein innerstädtischer Neubau in Bahnhofsnähe veranlasste den Umzug der Station in die direkte Nachbarschaft zur Feuerwache. Auf dem Dach eines öffentlichen Parkhauses entstand ein großzügiger Heliport mit Hangar und Betankungsanlage. So konnte auch das Gastspiel bei den Heeresfliegern beendet werden. Der alte Landeplatz wurde aufgelassen, an seiner Stelle befindet sich heute ein Neubaugebiet.

Der neue „Christoph Europa 2“ am alten Landeplatz

Der neue „Christoph Europa 2“ am alten Landeplatz

Foto: Klemens Hoevel

1998: Als die EC-135-Springermaschinen noch knapp waren, musste auch schon einmal die bewährte BO-105 aushelfen

1998: Als die EC-135-Springermaschinen noch knapp waren, musste auch schon einmal die bewährte BO-105 aushelfen

Foto: Olaf Tampier

Amtshilfe durch eine BK-117 am 10.02.2001

Amtshilfe durch eine BK-117 am 10.02.2001

Foto: Klemens Hoevel

Im Jahr 2003 fand „Christoph Europa 2“ auf dem Dach eines Städtischen Parkhauses sein neues Zuhause

Im Jahr 2003 fand „Christoph Europa 2“ auf dem Dach eines Städtischen Parkhauses sein neues Zuhause

Foto: Felix Troschier

Der LRZ-Neubau befindet sich in unmittelbarer Nachbarschaft zur Feuerwache und Rettungsleitstelle

Der LRZ-Neubau befindet sich in unmittelbarer Nachbarschaft zur Feuerwache und Rettungsleitstelle

Foto: Felix Troschier

Die Redaktion von rth.info wünscht der Station von „Christoph Europa 2“ auch für die Zukunft allzeit many happy landings.

Das neue Luftrettungszentrum in der Lindenstraße. Es dient zugleich als Landeplatz für das Mathias-Spital

Das neue Luftrettungszentrum in der Lindenstraße. Es dient zugleich als Landeplatz für das Mathias-Spital

Foto: Olaf Tampier

Interessante Randbemerkung: noch bevor „Christoph Europa 1“ in Aachen-Merzbück an den Start ging, wurde die Station in Rheine übrigens schon an den ADAC übergeben und stand als „Christoph Europa 2“ im Dienst.

Autoren

Wir danken:
Klemens Hoevel, Olaf Tampier - www.ot112.de

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Über rth.info und unser Themenspektrum

Wir vom Nachrichtenmagazin rth.info berichten ehrenamtlich über Rettungshubschrauber, also notfallmedizinisch ausgerüstete und besetzte Helikopter, die im Rettungsdienst eingesetzt werden. Hubschrauber sind wertvoll als Rettungsmittel, da sie schnell, wendig und unabhängig vom Straßennetz sind. Ebenso dienen sie zum eiligen Transfer von Intensivpatienten zwischen Kliniken.

Für die Luftrettung besteht ein dichtes Standortnetz – sowohl von Rettungshubschraubern, als auch von Intensivtransport-Hubschraubern für den Interhospitaltransfer (siehe unsere Standortkarte). Die Standorte werden von staatlichen und nichtstaatlichen Betreibern unterhalten. Die ADAC Luftrettung stellt die meisten zivilen Rettungshubschrauber in Deutschland. Die DRF Luftrettung betreibt auch besonders viele Luftrettungszentren in Deutschland. Ihr Vorgänger war die Deutsche Rettungsflugwacht e.V. – bis zum Wechsel von Name und Rechtsform (2008). Weitere wichtige Betreiber, darunter das Bundesministerium des Innern mit seinen Zivilschutzhubschraubern, stellen wir hier vor.

Hubschrauber ergänzen den Rettungsdienst am Boden in medizinischen Notlagen. Sie sollen nicht den Bodenrettungsdienst ersetzen, da Rettungshubschrauber nicht allwetterfähig sind. Luftretter unterscheiden mehrere Einsatzarten. Die wichtigsten sind primäre Notfalleinsätze an einem Einsatzort und sekundäre Patiententransporte von einer Klinik zur anderen. In der Luftrettung kommt komplexe notfallmedizinische Technik zum Einsatz, die u.a. Anaesthesie, Chirurgie, Innere Medizin und Pädiatrie abdeckt.

"Helicopter Emergency Medical Services", kurz HEMS, ist die englische Bezeichnung für Luftrettungsdienst. Der Assistent des Notarztes wird daher als HEMS TC bzw. HEMS Crew Member bezeichnet. Zahlreiche Piloten verdienen in der Luftrettung ihren Lebensunterhalt – für viele Fans ein Traumberuf. Die Betreiber setzen viele Flugstunden und Erfahrung voraus.

Der aktuell bedeutsamste europäische Hubschrauberhersteller ist Airbus Helicopters mit seinen Baumustern H135, H145, und weiteren. Der US-amerikanische Hubschrauberhersteller Bell hat mit den Baumustern Bell 212, Bell 222, Bell 412, die Luftrettung mit geprägt, aber seit ca. 2010 Marktanteile an Airbus Helicopters verloren. Beschreibungen weiterer Hubschrauber-Hersteller finden Sie in unseren Typentexten.

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