Rettung Offshore: Interview Dr. Matthias Ruppert
20.10.2012
Die Offshore-Rettung ist in aller Munde im Zuge der Energiewende. Auch Hubschrauber spielen dabei eine wichtige Rolle. Auch auf der Rettungs-Fachmesse "akut" in Bremen wurde das Thema Notfälle im Offshorebereich ausführlich diskutiert.
Zwei Helikopter des Typs S 76 von Wiking mit ADAC-Aufkleber
Foto: Dr. Matthias Ruppert
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Dr. Matthias Ruppert
Foto: privat
rth.info hatte die Gelegenheit, mit Dr. Matthias Ruppert ein Interview zu führen. Auf Seiten des ADAC gestaltet er dieses für die Rettung relativ neue Feld als einer der führenden Köpfe mit.
rth.info: Herr Dr. Ruppert, danke dass Sie sich die Zeit für unser Interview auf rth.info nehmen.
In welcher Funktion sind Sie in dem Offshore-Projekt tätig, und wie kam der ADAC ins Spiel?
Ruppert: Ich bin als „Leiter Medizin“ seitens der ADAC-Luftrettung im Rahmen dieses Tätigkeitsfeldes für alle medizinisch-operativen und -strategischen Aspekte verantwortlich.
Die ADAC Luftrettung hat schon vor rund drei Jahren erkannt, dass hier eine Versorgungslücke für das Offshore-tätige Personal entsteht. Die Weiterentwicklung der Luftrettung ist satzungsgemäßer Auftrag des ADAC e.V.
Schon damals zeichnete sich ab, dass diese Notfallversorgung weder durch die öffentlich-rechtlichen Rettungshubschrauber abgedeckt werden kann und dass diese sehr anspruchsvolle Aufgabe auch nicht in den Zuständigkeitsbereich der SAR-Dienste fällt.
Was erhofft sich der ADAC von der Offshore-Tätigkeit? Zeichnet der ADAC selbst oder die Luftrettungs-Tochter verantwortlich – oder womöglich ein neues Subunternehmen?
In erster Linie ist es unser Ziel eine effiziente, bedarfsgerechte und vor allem professionelle Versorgung mit einem Höchstmaß an Flug- und Patientensicherheit für diesen Einsatzbereich sicherzustellen.
Die Wiking Helikopter Service GmbH ist Vertragspartner der Windpark-Errichter bzw. -Betreiber und stellt den fliegerischen Part – also Hubschrauber, Maintenance, Piloten und Hoist-Operator. Wiking verfügt über eine langjährige Offshore-Erfahrung und hat über 40.000 Windenmanöver über See durchgeführt.
Die ADAC-Luftrettung GmbH ist für den notfallmedizinischen Part der Leistung zuständig – also das medizinische Personal, die notfallmedizinische Ausrüstung und die rettungsdienstliche Infrastruktur / Logistik. Neben diesem operativen Teil bringt sich die ADAC-Luftrettung aber vor allem mit ihrer umfassenden Expertise im Bereich Luftrettung und Notfallversorgung in diese Kooperation ein, wobei insbesondere die langjährige Kompetenz in den Verfahren der Windenrettung in Kombination mit einer situationsgerechten Patientenversorgung zu nennen ist.
Welche Rettungsausstattung wird vorgehalten (sowohl zur technischen Rettung als auch medizinisch), die gegenüber dem genormten Equipment eines RTH respektive ITH bemerkenswert ist?
Die Ausrüstung orientiert sich grundsätzlich an gängigen Normen und der Konfiguration etablierter RTH mit dem Betrieb einer Rettungswinde. Für dieses Missionsprofil ist die Ausrüstung in besonderem Maß auf die schwierigen Umgebungsbedingungen ausgerichtet und komplett mobil ausgelegt, um auch länger dauernde Versorgungs- und Transportzeiten vor Ort sicher bewerkstelligen zu können. In vielen Details haben wir uns auch auf besondere Krankheitsbilder und Einsatzsituationen vorbereitet. Nur beispielsweise seien innovative Konzepte zur Blutungskontrolle genannt oder der Umstand, dass es in diesem Umfeld und bei den langen Missionszeiten Sinn macht, breit wirksame intravenöse Antibiotika mitzuführen.
Vor dem Hintergrund, dass insbesondere bei schweren, akzidentellen Hypothermien eine fortgeführte Reanimation unter Transportbedingungen erforderlich werden kann, führen wir ein mechanisches Thoraxkompressionssystem mit, das auch für den Windeneinsatz geeignet ist.
Gibt es Besonderheiten im medizinischen Procedere aufgrund der speziellen Umgebung im Offshorebereich?
Wie unter anderen schwierigen Umgebungsbedingungen – z.B. im hochalpinen Bereich – verändern die vielfältigen Einflussfaktoren das medizinische Procedere. Natürlich wollen wir auch hier eine leitliniengerechte und von einer hohen Einsatzerfahrung bestimmte Notfallmedizin gewährleisten. Trotzdem muss bei jeder, insbesondere invasiven Maßnahme abgewogen werden, ob sie unter den gegebenen, häufig vielschichtigen Bedingungen die gleiche Indikation besitzt oder potentielle Risiken überwiegen.
Wiking S 76 mit ADAC-Aufkleber bei Manöver mit der Seilwinde während eines Trainings
Foto: Dr. Matthias Ruppert
Von welchem Standort startet der Helikopter und seit wann?
Wiking Helikopter Service und die Einsatzmaschine sind am Jade-Weser-Airport bei Wilhelmshaven stationiert. Seit Juni diesen Jahres bestehen eine Reihe von Verträgen mit Errichtern und Betreibern von Offshore-Windparks.
Wer genau stellt und bezahlt das medizinische Personal, und wer trägt die Fortbildungskosten?
Die Notärzte und Rettungsassistenten bzw. HEMS Crew Member kommen ausschließlich von Luftrettungsstationen der ADAC-Luftrettung mit Betrieb einer Rettungswinde. Die über die bereits vorhandene, weitreichende Erfahrung hinaus erforderliche Fortbildung tragen – für die FlightCrew wie für die MedCrew – Wiking und ADAC gemeinsam.
Welche Weiterbildungen benötigt die Crew?
Wesentlicher Aspekt sind die beschriebenen Zugangsvoraussetzungen. Unabdingbar für dieses Missionsprofil ist die Kompetenz der MedCrew, einen Windeneinsatz unter fortgeführter Überwachung und Therapie des Patienten sicher abwickeln zu können. Dies muss in entsprechend aufwendig konfigurierten Simulationstrainings evaluiert werden.
Können Sie für rth.info einen typischen Einsatzablauf kurz skizzieren?
Untertags besteht ein Ausrückintervall von 15min., nachts von 45min. – die 15min. untertags muss man unter diesen Bedingungen als „Sofortbereitschaft“ ansehen, weil gegenüber dem „normalen“ Luftrettungsdienst weiter reichende Vorbereitungen erforderlich sind. Der Anflug in die momentan aktiven Baufelder beträgt rund 30min. Dort kann entweder auf einem der Errichterschiffe oder Plattformen gelandet werden, oder es wird ein Windeneinsatz gemäß etablierter Prozesse abgewickelt. Die Patientenzuweisung erfolgt nach den üblichen Kriterien in für den jeweiligen Patienten optimal geeignete Klinik.
Sehen Sie das Angebot als Konkurrenz zu schon etablierten Rettungsorganisationen wie SAR-Dienst, DGzRS, NHC oder auch dem ADAC-eigenen Christoph 26? Wie ergänzt sich die Notfallversorgung?
Der nun etablierte Dienst ist in der Analogie wie ein Werksrettungsdienst zu verstehen.
Wie beschrieben liegt der Versorgungsauftrag weder auf Seiten der SAR-Dienste noch auf der des öffentlich-rechtlichen Rettungsdienstes der Länder.
Mit der DGzRS bzw. ihrem MRCC sowie dem Havariekommando arbeiten wir auch in diesem Tätigkeitsfeld sehr eng und vertrauensvoll zusammen. Das Havariekommando übernimmt die Leitung bei allen komplexen Schadenslagen, in denen die staatliche Daseinsfürsorge greift.
Herr Dr. Ruppert, wir danken für das Gespräch und wünschen many happy landings.
Medizinische Crew in Aktion bei einem Patientensimulationstraining im Zuge der Windenrettungsübung
Foto: Dr. Matthias Ruppert