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Steiger-Stiftung plant eigenen Luftrettungsstandort

14.02.2016

Winnenden/Höchenschwand (BWÜ) ::  “Im Landkreis Waldshut soll zur Verbesserung der notärztlichen Versorgung ein Transporthubschrauber stationiert werden“. So war am 27.01.2016 im “Südkurier“ zu lesen. Und am gleichen Tag titelte die “Badische Zeitung“ (BZ): “Björn-Steiger-Stiftung prüft Standort - Höchenschwand als Basis für Rettungshubschrauber“. Geplant sei ein 24-Stunden-Betrieb, hieß es in beiden Zeitungen übereinstimmend. Für den Standort Höchenschwand - das von der Stiftung ins Visier genommene Areal befindet sich direkt neben der Rettungswache der Bergwacht - sprechen laut Stiftung “neben der einsatztaktischen günstigen Lage [...] auch die vielen nebelfreien Tage auf 1.000 Meter Höhe“.

Über ihre Pläne habe die Björn-Steiger-Stiftung, vertreten durch ihren Präsidenten Pierre-Enric Steiger und ihren Geschäftsführer Andreas Mihm, die Mitglieder des Höchenschwander Gemeinderats am Montag, den 25.01.2016 informiert, war weiter zu lesen. Befürchtungen, dass die Ruhe der Kur- und Feriengäste durch den Flugbetrieb beeinträchtigt werden könnte, könnten “bei einem Probeanflug und -start mit dem [von der Björn-Steiger-Stiftung] bestellten Hubschrauber“ entkräftet werden, sagte Stiftungspräsident Pierre-Enric Steiger.

Auf Nachfrage der BZ teilte die Pressesprecherin der in Winnenden (Rems-Murr-Kreis/Baden-Württemberg) ansässigen Stiftung, Anna Eberchart, mit, dass vor einer endgültigen Entscheidung ein einjähriger Probebetrieb vorgesehen sei. Hierfür würde die Stiftung auch eine mobile Hangaranlage erstellen. Der Hubschrauber solle “auch mit einer Winde ausgestattet“ sein, so die Pressesprecherin weiter. Auch wenn man sich noch “absolut in der Anfangsphase“ befände, hätten die Kostenträger aber bereits ihr “sehr großes Interesse“ an der Suche nach einem Standort in der Region bekundet - “auch am 24-Stunden-Betrieb“.

Rettungs- oder Intensivtransporthubschrauber?

Dass in Baden-Württemberg ein weiterer Luftrettungsstandort eingerichtet werden solle, überraschte in der Szene sehr. Es trifft zwar zu, dass die rettungsdienstliche bzw. notärztliche Versorgung im Landkreis Waldshut unter den 34 Rettungsdienstbereichen an letzter Stelle rangiert (statt der geforderten 95 Prozent trafen im Jahr 2014 die RTW in 895 von 1.000 Fällen und die Notärzte sogar nur in 846 von 1.000 Fällen innerhalb der gesetzlich verankerten 15-Minuten-Hilfsfrist ein), doch ist der Bereich luftrettungstechnisch mehr als ausreichend versorgt. Er liegt im Einzugsbereich von gleich sechs Luftrettungsmitteln: “Christoph 54“ (ITH, Freiburg, DRF Luftrettung), “Christoph 11“ (RTH, Villingen-Schwenningen, DRF Luftrettung), “Christoph 45“ (RTH, Friedrichshafen, DRF Luftrettung), “Lions 1“ (RTH, Birrfeld/Schweiz, AAA) sowie “Rega 1“ (RTH, Rega, Zürich/Schweiz) und “Rega 2“ (RTH, Rega, Basel/Schweiz). Die beiden Letztgenannten sind rund um die Uhr einsatzbereit und verfügen darüber hinaus über eine Rettungswinde.

Der mögliche Standort in Höchenschwand

Der mögliche Standort in Höchenschwand

Foto: Screenshot google maps / Stationsdatenbank rth.info

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Zudem hatte erst vor wenigen Jahren Innenminister Reinhold Gall (SPD) die von seinem bayerischen Kollegen Joachim Herrmann (CSU) ins Spiel gebrachte Stationierung eines RTHs im bayerisch-württembergischen Grenzgebiet abgelehnt (rth.info berichtete seinerzeit ausführlich). Ziel der baden-württembergischen Regierung bleibe auch weiterhin, in den Grenzregionen die bodengebundenen Rettungsdienste auszubauen, um “vereinzelte Mankos zu beheben“. Dies habe eine Analyse der Fachabteilungen im zuständigen Ministerium ergeben, hieß es dazu Mitte Januar 2013 aus dem Stuttgarter Innenministerium. Schließlich wurde dieser in Dinkelsbühl-Sinnbronn im Landkreis Ansbach (Bayern) eingerichtet. Er wird seit September 2015 von der ADAC Luftrettung als “Christoph 65“ betrieben.

rth.info hat sich Anfang Februar 2016 an die zuständigen Stellen in Baden-Württemberg gewendet und um eine aktuelle Stellungnahme zu den Bestrebungen der Björn-Steiger-Stiftung gebeten. Die Gemeinde Höchenschwand teilte schriftlich mit, dass man “leider keine weitergehenden Auskünfte erteilen [könne], da bislang kein Antrag der Björn-Steiger-Stiftung bei der Gemeinde Höchenschwand eingegangen ist“. Die Pläne zur Stationierung eines Luftrettungsmittels sei “dem Gemeinderat im Rahmen einer Gemeinderatssitzung mitgeteilt [worden]. Sie war jedoch nicht Tagesordnungspunkt“. Aus dem Innenministerium verlautbarte, dass man von den Plänen der Björn-Steiger-Stiftung aus der Zeitung bzw. dem Internet erfahren habe, ein Antrag auf Genehmigung eines Rettungshubschraubers allerdings auch nicht vorliege. Steiger-Pressesprecherin Anna Eberchart bestätigte auf Anfrage von rth.info allerdings, dass in Höchenschwand auch kein Rettungstransporthubschrauber, sondern ein Intensivtransportschrauber stationiert werden solle. Somit ist das Stuttgarter Innenministerium als Träger der Luftrettung auch nicht als Genehmigungsbehörde zuständig. Dies sind im Rahmen der in Baden-Württemberg im Rettungsdienst üblichen Selbstverwaltung die Kostenträger. Auf die Pläne der Björn-Steiger-Stiftung und den aktuellen Stand in Sachen “24-Stunden-ITH“ angesprochen, teilte die AOK Baden-Württemberg lediglich Folgendes mit: “Die Krankenkassen prüfen die Stationierung eines 24 Std.-ITH in Baden-Württemberg. Dabei werden verschiedene Standorte in Erwägung gezogen. Unterschiedliche Anbieter, zu denen auch die Björn-Steiger-Stiftung gehört, haben Vorschläge unterbreitet. Diese Vorschläge werden geprüft, so dass zur Zeit keine weiteren Aussagen getroffen werden können.“

Die bisherigen Reaktionen werfen mehr Fragen als Antworten auf, zumal die von der Björn-Steiger-Stiftung erwähnte Ausstattung ihres ITHs mit einer Rettungswinde offensichtlich doch auf einen Einsatz als primäres Luftrettungsmittel hindeutet. Ob man quasi durch die Hintertür Selbstverwaltung in den öffentlich-rechtlichen Rettungsdienst eingebunden werden möchte? rth.info wird die weitere Entwicklung im Landkreis Waldshut, aber auch was die Stationierung eines 24-Stunden-ITHs im Südwesten angeht, auf jeden Fall sehr aufmerksam verfolgen.

Die Björn-Steiger-Stiftung hat schon diverse rettungsdienstliche Projekte angestoßen – einige mit Erfolg, andere ohne. Im Jahr 2012 scheiterte sie mit der Stationierung eines von ihr finanzierten Baby-Notarztwagens in Datteln (Kreis Recklinghausen/NRW)

Die Björn-Steiger-Stiftung hat schon diverse rettungsdienstliche Projekte angestoßen – einige mit Erfolg, andere ohne. Im Jahr 2012 scheiterte sie mit der Stationierung eines von ihr finanzierten Baby-Notarztwagens in Datteln (Kreis Recklinghausen/NRW)

Foto: Jörn Fries

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Wir vom Nachrichtenmagazin rth.info berichten ehrenamtlich über Rettungshubschrauber, also notfallmedizinisch ausgerüstete und besetzte Helikopter, die im Rettungsdienst eingesetzt werden. Hubschrauber sind wertvoll als Rettungsmittel, da sie schnell, wendig und unabhängig vom Straßennetz sind. Ebenso dienen sie zum eiligen Transfer von Intensivpatienten zwischen Kliniken.

Für die Luftrettung besteht ein dichtes Standortnetz – sowohl von Rettungshubschraubern, als auch von Intensivtransport-Hubschraubern für den Interhospitaltransfer (siehe unsere Standortkarte). Die Standorte werden von staatlichen und nichtstaatlichen Betreibern unterhalten. Die ADAC Luftrettung stellt die meisten zivilen Rettungshubschrauber in Deutschland. Die DRF Luftrettung betreibt auch besonders viele Luftrettungszentren in Deutschland. Ihr Vorgänger war die Deutsche Rettungsflugwacht e.V. – bis zum Wechsel von Name und Rechtsform (2008). Weitere wichtige Betreiber, darunter das Bundesministerium des Innern mit seinen Zivilschutzhubschraubern, stellen wir hier vor.

Hubschrauber ergänzen den Rettungsdienst am Boden in medizinischen Notlagen. Sie sollen nicht den Bodenrettungsdienst ersetzen, da Rettungshubschrauber nicht allwetterfähig sind. Luftretter unterscheiden mehrere Einsatzarten. Die wichtigsten sind primäre Notfalleinsätze an einem Einsatzort und sekundäre Patiententransporte von einer Klinik zur anderen. In der Luftrettung kommt komplexe notfallmedizinische Technik zum Einsatz, die u.a. Anaesthesie, Chirurgie, Innere Medizin und Pädiatrie abdeckt.

"Helicopter Emergency Medical Services", kurz HEMS, ist die englische Bezeichnung für Luftrettungsdienst. Der Assistent des Notarztes wird daher als HEMS TC bzw. HEMS Crew Member bezeichnet. Zahlreiche Piloten verdienen in der Luftrettung ihren Lebensunterhalt – für viele Fans ein Traumberuf. Die Betreiber setzen viele Flugstunden und Erfahrung voraus.

Der aktuell bedeutsamste europäische Hubschrauberhersteller ist Airbus Helicopters mit seinen Baumustern H135, H145, und weiteren. Der US-amerikanische Hubschrauberhersteller Bell hat mit den Baumustern Bell 212, Bell 222, Bell 412, die Luftrettung mit geprägt, aber seit ca. 2010 Marktanteile an Airbus Helicopters verloren. Beschreibungen weiterer Hubschrauber-Hersteller finden Sie in unseren Typentexten.

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