Einsatz für „Christoph 42“ (Teil 1)
01.06.2011
Unser rth.info-Mitglied Harald Rieger verfasste 2009 eine Reportage für die Fachzeitschrift "Rettungsdienst". Wir freuen uns, mit angemessenem zeitlichem Abstand zur Print-Veröffentlichung diese Reportage auch online zeigen zu können. Für die entsprechende Genehmigung gilt unser Dank dem Verlag.
24 Stunden auf dem Rendsburger RTH der DRF Luftrettung: Im Rahmen einer Reportage in der Februar-Ausgabe RETTUNGSDIENST (2009) begleiteten wir die Crew des Rettungshubschraubers „Christoph 54“ aus Freiburg einen ganzen Tag lang und konnten interessante Einblicke in den Arbeitsalltag einer RTH-Besatzung gewinnen. Heute gilt unsere Aufmerksamkeit einem „Nordlicht“, dem Rendsburger DRF-Hubschrauber „Christoph 42“.
Ein kurzer Regenschauer mit ein paar Sonnenstrahlen ermöglicht dieses Farbenspiel auf der Landeplattform der Rendsburger Station
Foto: Harald Rieger
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7.00 Uhr: Dienstwechsel für „Christoph 42“. Die Besatzung für den heutigen Tag hat sich bereits am Stützpunkt eingefunden und löst die Kollegen der Nachtschicht ab. Heute fliegt Pilot Frank Bernau den Hubschrauber, Rettungsassistent Frank Schmelzkopf navigiert und unterstützt Notarzt Dr. Ole Krautwald bei der Versorgung der Patienten. Auch dieser „ganz normale Arbeitstag“ beginnt mit dem frühmorgendlichen Check der Maschine und der Ausrüstung. Pilot Frank Bernau schiebt die Leiter zum Heck der Maschine und erläutert: „Jeden Morgen prüfe ich den technischen Zustand der Maschine in einer Sichtkontrolle und checke beispielsweise die Lagerspiele.“
Währenddessen überprüft Rettungsassistent Frank Schmelzkopf die ordnungsgemäße Verstauung und Bestückung der Notfallrucksäcke. Notarzt Dr. Ole Krautwald kontrolliert die vorhandenen Medikamente auf Vollständigkeit und achtet dabei besonders auf das Verfallsdatum. Nachdem alle Kontrollen durchgeführt sind, versammelt sich die Besatzung nach und nach im Dienstraum. „Frühstück“ – ruft Rettungsassistent Frank Schmelzkopf, genannt „Petz“, seinen Kollegen zu. Die knackfrischen Brötchen werden aufgeschnitten und belegt, der Duft von frisch gebrühtem Kaffee liegt in der Luft. Doch noch bevor die drei einen ersten Bissen nehmen können, ruft sie der Melder um Punkt 7.29 Uhr zum ersten Einsatz.
„Verdacht auf Herzinfarkt“ lautet die Meldung. Es geht zum Schwedeneck in der Nähe von Eckernförde. Frank Bernau startet die Triebwerke. Wenig später ist „Christoph 42“ in der Luft und meldet sich über Funk bei der zuständigen Leitstelle Mitte. Keine acht Minuten später geht der Hubschrauber zur Landung. Der Rettungswagen und ein Streifenwagen der Polizei, der zur Unterstützung der Hubschrauberlandung von der Leitstelle geordert war, sind schon vor Ort. Die Rettungsassistenten haben bereits festgestellt, dass der Patient ansprechbar ist und über starke Schmerzen im Bauchbereich klagt. Mit Verdacht auf ein akutes Abdomen wird er nach Anlage einer Infusion und Gabe von Schmerzmitteln mit dem RTW ins Krankenhaus Eckernförde transportiert. Notarzt Dr. Ole Krautwald muss den Transport nicht begleiten. Kurz darauf meldet sich „Christoph 42“ wieder einsatzbereit.
Zurück an der Station wird erst einmal das ausstehende Frühstück nachgeholt. Dieses Mal reicht die Zeit. Und wie sich später herausstellt, soll es noch einige Stunden ruhig bleiben. Frank Bernau, von seinen Kollegen auch „Börny“ genannt, nutzt die Zeit, um wie jeden Tag das Kerosin auf seinen Wassergehalt hin zu prüfen. Proben werden nicht nur aus dem Tank der Maschine, sondern auch aus der Tankanlage auf dem Hubschrauberlandedach und aus dem unterirdischen Tankdepot entnommen. Mit einem Wasserindikator wird die Feuchtigkeit überprüft. „Wasser im Kerosin ist gefährlich, weil sich dieses nach unten absetzt. Das heißt, dass bei einer größeren Wassermenge im Tank die Triebwerke ausgehen können – und das im schlimmsten Fall im Flug“, erklärt er.
Nicht nur der Pilot kontrolliert seine Maschine, auch die medizinische Besatzung überprüft täglich die Beladung und Ablaufdaten der Medikamente
Foto: Harald Rieger
Am späten Vormittag folgt der nächste Alarm. Die Leitstelle Schleswig meldet „Verdacht auf Krampfanfall“ in dem Nachbarort Hohn. Nach einem kurzen Anflug ist die Besatzung von „Christoph 42“ als erstes Einsatzmittel vor Ort. Unter den staunenden und leuchtenden Augen von vielen Kindern und einigen Passanten setzt der Hubschrauber auf dem Gelände eines nahe gelegenen Bauernhofes auf. Eine verwirrte weibliche Person wird bereits von einigen Anwohnern gestützt und betreut. Wie sich herausstellt, leidet sie unter einem erstmaligen Alkohol-Entzugskrampf. In dem wenig später ankommenden Rettungswagen wird die Patientin gelagert und versorgt. Notarzt Dr. Ole Krautwald begleitet den Transport ins Kreiskrankenhaus Rendsburg, Frank Bernau und Frank Schmelzkopf fliegen mit dem Hubschrauber zurück.
Höchste Konzentrationsfähigkeit und ein überdurchschnittlich schnelles Reaktionsvermögen sind Grundvoraussetzungen für das Fliegen eines Hubschraubers
Foto: Harald Rieger
Die medizinische Besatzung wird mit einem Polizeiwagen vom Landeplatz des Hubschraubers zum Patienten gebracht, der RTW trifft wenig später ein
Foto: Harald Rieger
Die Rendsburger Luftrettungsstation ist eine von bundesweit 28 Stationen, die durch die DRF Luftrettung derzeit betrieben werden. Vor 34 Jahren – am 20.2.1975 – eröffnete sie in Rendsburg ihren damals zweiten Standort. In den Anfangsjahren wurde hier noch mit dem Hubschraubermuster Bell Jetranger und später mit der BO 105 geflogen. Im Jahr 2002 erfolgte der Wechsel zur EC 135. Seit Mitte 2004 fliegen die Rendsburger Luftretter mit dem Hubschraubertyp BK 117. Durch zwei Turbinen mit jeweils einer Leistung von 700 Wellen-PS erreicht dieser eine maximale Fluggeschwindigkeit von 278 km/h und eine Reisegeschwindigkeit von gut 250 km/h. „Die BK 117 hat eine perfekte Größe für primäre und sekundäre Rettungseinsätze. Sie ist ausgereift, extrem robust, schnell, wendig und wenig wetterempfindlich. Es macht einfach Spaß, mit ihr zu arbeiten. Zusammengefasst: Ein tolles Arbeitsgerät!“, bringt es Frank Bernau auf den Punkt.
„Massenkarambolage auf der Autobahn, vier Fahrzeuge sind beteiligt“ liest Dr. Ole Krautwald auf dem gerade eingetroffenen Einsatzfax. Er sprintet hinauf zur Maschine. Die Rotorblätter rotieren bereits und Frank Schmelzkopf tippt die Koordinaten in das bordeigene Navigationsgerät „EURONAV III“. Auf dem Anflug wird das Team über Funk gewarnt: Der Unfall sei vermutlich aufgrund eines vorübergehenden Graupelschauers zustande gekommen, die Fahrbahn sei sehr glatt. Nach exakt sieben Minuten Flugzeit erreicht der Rettungshubschrauber die A 215.
Kurz nachdem „Christoph 42“ auf der Fahrbahn gelandet ist, treffen weitere Rettungsmittel an der Unfallstelle ein
Foto: Harald Rieger
Teil 2 und 3
Wie es weitergeht, lesen Sie in Teil 2 dieser Reportage. — Wie der Tag zuende ging, lesen Sie im abschließenden Teil 3.
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- SK-Verlag