Inselflieger feiern 25jähriges Bestehen
29.12.2004
In dieser Reportagenserie sind erschienen:
- 29.12.2004 :: Inselflieger feiern 25jähriges Bestehen
- 22.01.2005 :: DVD über Pilotencrew aus Sande

Achtung Flugbetrieb: Christoph 26 des ADAC, seit mehr als 25 Jahren in Nordwestdeutschland unterwegs. Fester Bestandteil des Rettungsdienstes und am 16.12.04: Im Mittelpunkt des Interesses
Foto: Patrick Permien
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In Sande bei Wilhelmshaven fand am 16.12.2004 der Luftraum keine Ruhe. Der Grund: Wohlverdient und in angemessenem Rahmen feierten die Luftretter von "Christoph 26" das 25jährige Bestehen ihres Hubschrauberstandortes. Damit verbunden waren eine Feierstunde für geladene Gäste und ein öffentlicher "Tag der offenen Station". Und auch da wurde einiges geboten. Zu Gast waren unter anderem die Bundeswehr und die niedersächsische Landespolizei. rth.info war auf Einladung hin auch vor Ort vertreten - und gratuliert herzlich! Die Feierstunde fand in Anwesenheit namhafter Persönlichkeiten aus 25 Jahren ADAC-Luftrettung sowie diverser guter Bekannter der Station statt. Aus München angereist waren Personen wie ADAC-Luftrettungs- Geschäftsführer Friedrich Rehkopf und Gerhard Kugler, Präsident der Luftrettungs- Interessenvertretung EHAC.
Die Nennung der Gäste muss an dieser Stelle in kürzerem Rahmen gehalten werden, als in der Begrüßung bei der Feier selbst; dennoch sei herausgestellt, dass mehr als hundert Personen das Engagement der Sander Rettungsflieger mit ihrer Anwesenheit honorierten.
Christoph 26: Rückblick auf 25 Jahre Erfolg

Christoph 26 und Gasthubschrauber "Phönix" der nieders. Polizei
Foto: Patrick Permien
In den Festansprachen wurde eine Dreiteilung der fachlichen Redebeiträge gewählt. In einem Rück- und Ausblick unter dem Motto "Christoph 26 – gestern, heute und morgen" gelang eine Präsentation der Station mit all ihren Eigenschaften. Und wenn auch der vorgesehene Zeitrahmen gesprengt wurde, verließ augenscheinlich kein Gast unzufrieden den Hangar!
Anschließend an die Eröffnungs- und Begrüßungsrede von Dr. med. Martin Voigt, Leitender Notarzt und Leiter der Abteilung Anaesthesie / Rettungsmedizin im Krankenhaus Sande, skizzierte der Landrat Sven Ambrosy des Kreises Friesland die wesentlichen Meilensteine in Sanderbusch:

Redner Ambrosy, Landrat
Foto: Patrick Permien
"Nur der Einsatz von Rettungshubschraubern in unserer Küstenregion kann Hilfe bringen", stellte er heraus – und diese Erkenntnis habe man nach dem Aufbau des hubschrauberbasierten militärischen Such- und Rettungsdienstes erlangt:
Ab 1962 flog der SAR-Hubschrauber von Upjever aus seine Einsätze – allerdings noch ohne Notarzt. Im Februar 1976 sei es dann gewesen, als das zuständige niedersächsische Ministerium Interesse an einem notarztbesetzten Rettungshubschrauber "zwischen Ems und Jade" bekundet habe. Als zweiter Rettungshubschrauber Niedersachsens nach "Christoph 4" in Hannover habe man dann „Christopher Friesland“ gemeinsam mit der S.O.S. Flugrettung installiert. Die Einsatzbilanz: Im ersten Jahr bereits ca. 400 Einsätze, und davon seien mindestens 40 unmittelbar lebensrettend gewesen.
Als weitere Höhepunkte erinnerte Ambrosy daran, dass Christoph 26 mit Beginn des Jahres 1986 als bundesweit erster Rettungshubschrauber den Nachtflugbetrieb aufgenommen hatte.

Interdisziplinär ausgelassene Heiterkeit bei der Rede des Herrn Dr. H. Kassel
Foto: Patrick Permien
"Sie merken, dass dieser Standort immer vorn mit dabei war, darauf sind wir stolz und das wollen wir so beibehalten", sagte er, denn „Christoph 26 ist für die Region außerordentlich wichtig", und "mit dem ADAC als starkem Partner an unserer Seite sind wir sicher, den Anforderungen der Zukunft auch gerecht zu werden."
Anschließend an diesen ersten historischen Rückblick – während ein Seaking-Hubschrauber der Deutschen Marine einen Patienten in das Krankenhaus brachte und die anwesenden Gäste auf das praktische Moment der Luftrettung lautstark aufmerksam machte – zeigte Dr. Hermann Kassel als einer der "geistigen Väter" der RTH-Station, noch einige persönliche Erfahrungen der frühen Jahre auf.
So etwa an die großen Anstrengungen, die seinerzeit nötig gewesen seien, um aus einem reinen Krankentransportdienst einen leistungsfähigen Rettungsdienst mit kompetenter präklinischer Versorgung zu machen.
Neue Schwierigkeiten für Flugrettung

Status quo der deutschen Luftrettung, referiert von ADAC-Technikpräsident W. v. Scheven
Foto: Patrick Permien
Als nächster Redner gab Werner von Scheven einen Überblick über die heutigen Leistungen der ADAC-Luftrettung bundesweit. "Der ADAC ist stolz darauf, die gesamte Weser-Ems-Region mit vier Rettungshubschraubern zu versorgen", stellte er dabei zufrieden fest. Dazu kam es übrigens zunächst durch die Übernahme von Christoph 26, dann kamen nacheinander ab Mitte der 1990er Jahre die Stationen Bremen, Rheine und Greven hinzu, welche der ADAC ebenfalls von anderen Betreibern übernahm und in Eigenregie weiterführte.
Weniger zufrieden bilanzierte Technikpräsident von Scheven Bezug nehmend auf die Rettungswinde von Christoph 26: "Unser Hilfsangebot wurde bislang noch nicht in Anspruch genommen!". Er wolle "die Veranstaltung nutzen, um Berührungsängste abzubauen". Heißt in der Praxis: Die Rettungswinde wurde bis zum Tag der Veranstaltung, obwohl vorhanden, nicht eingesetzt. Allerdings, so ist rth.info bekannt, wurde der Helikopter bereits zu Situationen gerufen, in denen der Einsatz der Winde als Option im Raum stand und dann nur kurzfristig die Lage anders bewältigt wurde. Etwa durch einen größeren Marinehubschrauber des SAR-Dienstes.

Praktische Vorführung der Rettungswinde: Abbau von Berührungsängsten
Foto: Patrick Permien
Seinen Ausblick in die Zukunft als drittes Statement zur Rolle von Christoph 26 nutzte Dr. med. Martin Voigt für einen kritischen Blick auf die heutige und perspektivisch zu erwartende Gesundheitspolitik. Er erwarte Probleme für die Notfallrettung – denn, so wörtlich: "Unser Problem ist: Man nimmt uns kaum wahr! Gemessen am gesamten Finanzvolumen sind wir eigentlich Peanuts..."
Und verglichen mit seinem sonst humorvoll gehaltenen Vortrag wurde Voigt sehr ernst, als er zusammenfassend feststellte: "Wir sind zwar ganz spektakulär, aber die eigentlichen Probleme die wir haben, werden gerne verdrängt." In der heutigen Leistungsgesellschaft werde Krankheit und Sterben immer weniger als 'normaler' Bestandteil menschlichen Lebens angesehen.

Redebeitrag des Sander Notarztes Dr. med. M. Voigt, Anaesthesist, vor der Versammlung. Die Leiter diente in diesem Fall als Plattform für den Beamer
Foto: Harald Rieger
Aus der Politik kämen zudem falsche Zielsetzungen im Hinblick auf zu erwartende Einsparungen im Gesundheitswesen. Voigt dazu: "Wir stehen heute ungefähr wieder da, wie damals, als aus den Nachbarkreisen kam: 'Wir brauchen keine weiteren Rettungsmittel, in Sanderbusch steht ja der Hubschrauber!'". Das könne aber keine Lösung sein. Man dürfe nicht vergessen, dass Christoph 26 schon seit Jahren einen regulären Einsatzradius von 70km (nicht wie üblich 50km) habe, sowie die im Mittel längsten Transportwege und zudem noch die längsten Arbeitszeiten pro Einsatz.
"Die Rettung von Menschenleben ist keine Aufgabe für einen profitorientierten Markt!" kritisierte Voigt. Die besten Jahre seien rückblickend die gewesen, in denen Christoph 26 und SAR Jever 27 gemeinsam in Friesland im Einsatz gewesen seien und die Zusammenarbeit dabei stetig verbessert worden sei.
Zusammenarbeit mit der Bundeswehr neu aufgelegt

Logo des geplanten Carl-Franz-Zentrums, präsentiert via Beamer
Foto: Patrick Permien
An diese gute Zusammenarbeit wolle man nun wieder anknüpfen. Trotz oder gerade im Angesicht des Rückzugs der Bundeswehr aus der Zivilluftrettung habe man ein zivil-militärisches Kooperationsprojekt geplant. Unter einem bereits entworfenen Banner zu Ehren von Carl Franz werde man mit dem Sanitätsdienst der Bundeswehr zusammenarbeiten. Wie genau, ließ Voigt noch offen – das Konzept befindet sich noch in der heißen Planungsphase.
Voigt erläuterte aber, dass auch die Einführung der sogenannten Diagnosis Related Groups – DRG – als klinische Abrechnungsgrundlage nicht unkritisch sein werde. Die pauschale Abrechnung von Eingriffen und klinischen Leistungen je nach Erkrankung oder Verletzung mache neue Berechungen zur Wahrung der Wirtschaftlichkeit notwendig.
"Wir haben etwas vor. Wir haben in der hoheitlichen Ländersache (der Notfallrettung**) Probleme (...) – bundesweit hat jede Klinik damit zu tun. Was bei Einführung der DRG hinten 'runterfällt, ist die Notfallrettung, denn wenn ich ein Polytrauma-Team unter Dampf halte, weiß ich ja nicht: Wie viele Polytraumen werden mir gebracht?"
Und nochmals auf den Föderalismus eingehend ergänzte Voigt ein wenig nachdenklich: "Ich weiß nicht, ob es gut ist, dass Rettung Ländersache ist!"
Und als Abschluss seiner Rede stellte Dr. Voigt in den Raum:
"Wir werden im Rettungszentrum wieder die Säulen haben, die wir hatten: DRK und Bundeswehr (...) und wir haben jetzt eine Winde, um Grenzen noch besser zu überwinden!"

Alarmstart bei bestem Wetter am Tag des Jubiläums
Foto: Patrick Permien
Auch in Zukunft wird sich Christoph 26 bzw. sein Team vor Probleme gestellt sehen, die größere Herausforderungen darstellen als jeder dichte Nordseenebel. Vor allem werden sich politische Probleme weniger wahrscheinlich in Luft auflösen!
Öffentliches Helicopter Display
Im Anschluss an die Redebeiträge gab es ab ca. 14:00h am Krankenhauslandeplatz mehrere Maschinen zu besichtigen. Diese demonstrierten ein gemeinsames Fly-in.

Besuch von der Marine
Foto: Harald Rieger
Im Einzelnen waren daran beteiligt:
- Eine Bell UH-1D der Luftwaffe,
- eine Westland SeaKing MK 41 der Bundesmarine,
- eine MD 900 der Polizeihubschrauberstaffel Niedersachsen
- und Christoph 26 selbst.
Im Anschluss standen "SAR 31" aus Diepholz, der "Phönix" der Polizei, der große Marinehubschrauber und die BK 117 des ADAC zur Besichtigung bereit.
Kurz vor Sonnenuntergang demonstrierte "Christoph 26" dann den Einsatz seiner Rettungswinde.
Mit Beginn der Nachtschicht von Christoph 26 begann dann eine Hangarfete.

Fly-out der Gäste zu Sonnenuntergang
Foto: Patrick Permien
Für die nächsten 25 Jahre wünscht rth.info den Teams weiterhin erfolgreiche Einsätze und möglichst gute Zusammenarbeit mit allen beteiligten Einrichtungen und Organisationen.