Rettungsflieger meiden Heli-Landeplätze
10.11.2014
Eutin (SH) :: Seit dem 28. Oktober gelten in der Europäischen Union neue luftrechtliche Bestimmungen (rth.info berichtete), die unmittelbar Auswirkungen auf die Luftrettung in den einzelnen EU-Mitgliedsstaaten, aber auch in der Schweiz haben (siehe separate rth.info-News).
Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) hatte bei der Umsetzung der EU-Vorgaben in nationales Recht eine rechtliche Lücke genutzt und aus den bisherigen, oftmals nur geduldeten Sonderlandeplätzen so genannte Public Interest Sites (PIS), also “Landestellen von öffentlichem Interesse“, gemacht.
Dobrindt versprach Ende Oktober, nur wenige Tage vor Inkrafttreten der EU-Verordnung 965/2012, vollmundig: “Wir erhalten deshalb alle Hubschrauberlandestellen an Krankenhäusern, nicht eine muss geschlossen werden.“
Wie jedoch aktuell das schleswig-holsteinische Nachrichtenportal ln-online.de berichtet, trifft diese allzu optimistische Einschätzung jedoch nicht zu. Die Sana-Kliniken Ostholstein / Klinik Eutin, eine privatrechtlich geführte Gesellschaft mit beschränkter Haftung, wird nicht mehr von Rettungshubschraubern angeflogen - und dies bereits seit Längerem. Grund sind bauliche Mängel an der erst Anfang der so genannten Nullerjahre errichteten Klinik.
Schon bei der Bauabnahme des Dachlandeplatzes des damaligen Eutiner Klinikums des Kreises Ostholstein wurden bauliche Mängel festgestellt. Seit dieser Zeit streiten Klinikvorstand und das beauftragte Unternehmen um die Behebung der Mängel. Hierüber berichtete bereits am 19. Mai 2011 das Onlineportal shz.de unter dem Titel “Sana-Klinik für Christoph 12 tabu“.

Im Jahr 2008 wurde der Zivilschutz-Hubschrauber “Christoph 12“ von Eutin nach Siblin verlegt
Foto: Jörn Fries
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Offensichtlich haben seither alle Beteiligten das stille Agreement getroffen, keine der zwingend notwendigen Reparaturen vorzunehmen, da jedwede bauliche Änderung eine neue Genehmigung des Dachlandeplatzes durch das Luftfahrtbundesamt bzw. eine nachgeordnete Behörde nach sich gezogen hätte. Dies wollte man sich wohl - im wahrsten Sinne des Wortes - sparen. Auch hätte der Landeplatz seinen Bestandsschutz verloren.
Nach Einschätzung von Dr. Barbara Kempe, Sprecherin von Sana, kämen nicht nur auf die Eutiner Sana-Klinik, sondern auch auf “sehr viele Kliniken in Deutschland riesige Investitionen“ zu, wenn sie denn auch in Zukunft auf eine Helikopterfläche nicht verzichten wollen. Gegenüber ln-online.de sagte sie: „Fachleute gehen von Kosten von jeweils sechs bis acht Millionen Euro aus, wenn man denn die Vorgaben der EU erfüllen will.“
Aber nicht nur die EU - und seit dem 28. Oktober 2014 auch die Bundesrepublik Deutschland - macht entsprechende Vorgaben, auch die Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU) fordert von ihren zertifizierten Traumazentren die Einrichtung von Dachlandeplätzen.
Sana-Sprecherin Kempe indes hält den strategischen Wert des Rettungshubschraubers (RTH) als postprimäres Transportmittel für nicht allzu hoch: „Die Ärzte befördern die Patienten in der Regel lieber im geräumigen Rettungswagen, weil sie dort viel mehr Platz haben und zur Behandlung an alle Stellen des menschlichen Körpers herankommen. Der Hubschrauber holt den Arzt dann am jeweiligen Krankenhaus wieder ab.“ Der RTH also nur ein Notarzt-Zubringer?
Zurzeit landen die Rettungshubschrauber auf dem Gelände der Polizeidirektion auf der Eutiner Hubertushöhe. Der Patient wird dann mit einem Rettungswagen in die Sana-Klinik weitertransportiert. Kempe: „Unter dem Strich können wir sagen, dass die Patientenversorgung durch den Wegfall unserer Landeplattform keinen Nachteil erleidet.“ Was die Krankenkassen als Kostenträger zu dieser besonderen Form des Rendezvous-Systems sagen, konnte rth.info bislang nicht in Erfahrung bringen.

Der orange Lebensretter fliegt bereits seit Längerem nicht mehr den Dachlandeplatz an der Sana-Klinik in Eutin an
Foto: Jörn Fries
Der hier geschilderte Fall aus Norddeutschland scheint indes kein Einzelfall zu sein. Wie aus der Leserschaft zu erfahren war, werden zurzeit beispielsweise in Nordhessen einige Dachlandeplätze nicht mehr von den Rettungsfliegern aus Frankfurt am Main (ZSH “Christoph 2“), Fulda (RTH “Christoph 28“) und Kassel (ZSH “Christoph 7“) angeflogen.
Genannt wurden das Elisabeth-Krankenhaus gemeinnützige GmbH Kassel und das Herz- und Kreislauf-Zentrum (HKZ) Rotenburg a. d. Fulda GmbH & Co. Pergola KG. Beide Dachlandeplätze, die seit den 1970er Jahren regelmäßig von Rettungs- und Intensivtransporthubschraubern angeflogen wurden, entsprechen nicht den EU-Vorgaben und sind zurzeit auch nicht als PIS registriert.
rth.info wird die Entwicklung auch weiterhin aufmerksam beobachten.
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- Quelle(n):
- Artikel “EU besiegelt das Aus für Rettungsflieger-Landeplatz in Eutin“, erschienen am 07.11.2014 auf www.ln-online.de