Corona-Pandemie beeinflusst Luftrettung und Intensivtransport stark
25.03.2020
Berlin (BLN) :: In allen Bundesländern und auch in angrenzenden Staaten zeigt die derzeit grassierende Corona-Pandemie starke Auswirkungen auf die Luftrettung und den luftgebundenen Intensivtransport. Neben den umfangreichen präventiven Maßnahmen zum Infektionsschutz an den Stationen und in den Hubschraubern wurden mittlerweile auch Rettungsflüge und interklinische Intensivtransporte von infizierten Patienten notwendig. Wir versuchen, in diesen extrem ereignisreichen Tagen einen kurzen Überblick zu geben.
Sécurité Civile fliegt Patienten nach Pforzheim
Gestern (Dienstag) kam es zu einem seltenen Bild in Pforzheim am Siloah-Klinikum: Einer der “Dragon“ gerufenen französischen Zivilschutzhubschrauber verlegte einen Corona-Patienten aus dem schwer betroffenen Elsass nach Baden-Württemberg.
Wir berichten heute über aktuelle Auswirkungen der Pandemie auf die Luftrettung, wie hier in Baden-Württemberg. https://t.co/dx4VNHMvCK
— rth.info (@rthinfo) March 25, 2020
Zwischen Deutschland und Frankreich kommt es im alltäglichen Rettungsdienstbetrieb bislang nach wie vor nur sehr selten zu grenzüberschreitenden Luftrettungseinsätzen. Da der Interhospitaltransfer nach Angaben des “Pforzheimer Kuriers“ in Straßburg gestartet war, könnte es sich um den dort stationierten “Dragon 67“ gehandelt haben. Die Verlegung von zwei weiteren schwer erkrankter Corona-Patienten aus dem Elsass nach Pforzheim sei zu erwarten, hieß es in dem Artikel. Der “Pforzheimer Kurier“ zitiert dazu den Facharzt Thushira Weerawarna:
“Die Kapazitäten in den elsässischen Kliniken sind überlastet. Für und als christliches Krankenhaus ist es eine ethisch-medizinische Verpflichtung, unseren Nachbarn zu helfen“
Ein französischer Zivilschutzhubschrauber, wie er diese Woche zum Transport des Corona-Patienten nach Pforzheim eingesetzt worden war
Foto: Marie-Lan Taÿ Pamart, via Wikimedia Commons, unter freier Lizenz CC-BY-4.0, siehe https://bit.ly/33LUYOa
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Medienberichten zufolge sind die Kliniken in Ostfrankreich teilweise derart überlastet, dass dort Patienten nur bis zu einem Alter von 65 Jahren einen Beatmungsplatz erhalten.
Auch in ein Mannheimer Klinikum hat ein "Dragon"-Zivilschutzhubschrauber bereits einen Covid-19-Patienten aus dem Elsass bringen können, berichtet "morgenweb" (siehe Weblinks).
Laut der "Süddeutschen Zeitung" sind zwei Covid-19-Patienten aus dem ebenfalls stark betroffenen Italien mit einem Militärflugzeug nach Deutschland ausgeflogen worden und würden nun im Universitätsklinikum Leipzig behandelt.
ADAC Luftrettung: “Die ersten zwei Corona-Patienten transportiert“
Bereits am Montag hatte die ADAC Luftrettung Infektionspatienten aus Frankreich ausgeflogen. Die ADAC Luftrettung berichtet dazu in einer Pressemitteilung von heute morgen:
“Sie wurden von einem Krankenhaus im ostfranzösischen Metz in die Uniklinik Homburg/Saar geflogen – im Rahmen von grenzüberschreitender Nachbarschaftshilfe. Im Einsatz hierfür waren die Crews der Rettungshubschrauber Christoph 77 in Mainz und Christoph 66 in Eßweiler. [...] Sollte sich das Virus in Deutschland weiter ausbreiten, werden zusätzlich zwei Ersatzhubschrauber bereitgestellt, um einen möglicherweise erhöhten Transportbedarf in bestimmten Regionen leisten zu können.“
Auch das Saarland erklärte sich solidarisch bereit zur Behandlung von Erkrankten aus der franz. Region Grand Est. Sie wurden teilweise auf dem Luftweg verlegt. https://t.co/zhWx0puWm5 ????
— rth.info (@rthinfo) March 25, 2020
Zum Verfahren beim Transport von Covid-19-Infektpatienten teilt die ADAC Luftrettung in ihrer heutigen Pressemitteilung mit:
"Zusätzlich zu den Basis-Hygiene-Maßnahmen gilt bei einem Corona-Verdachtsfall, dass der Erkrankte nach den eigenen Standards für einen Lufttransport in die Schutzkategorie drei (höchste Stufe: vier) fällt. Dann darf dieser nur noch im beatmeten Zustand geflogen werden. [...] Der Vorbehalt, Patienten nur unter Beatmung mit einem geschlossenen System im Hubschrauber transportieren zu können, gelte auch für andere schwerwiegende Atemwegsinfektionen."
Insgesamt beobachtet auch die ADAC Luftrettung, dass der Nachschub an Schutzmasken und -anzügen knapp werde, noch aber sei man ausreichend versorgt.
Französische Armee flog Corona-Infektpatienten mit Militärflugzeug aus
Die französische Luftwaffe (Armée de l’Air) hat sechs ernsthaft an Covid-19 erkrankte Patienten aus überlasteten Kliniken von Colmar und Mulhouse ausgeflogen. Mit einem Militärflugzeug des Typs A330 MRTT und dem “Morphée“-Rüstsatz transportierte sie sechs Personen vom Flughafen Basel-Mulhouse nach Istres, von wo aus sie in die Militärkrankenhäuser von Marseille und Sainte-Anne in Toulon gebracht worden seien. Es sei der erste innerfranzösische Flug des Militärs mit diesem Rüstsatz gewesen.
Zusätzlicher “Lifeliner“ in den Niederlanden nur für Infektionspatienten bereit
Seit gestern (Dienstag, 24.3.2020) steht an der niederländischen Militärbasis Volkel ein zusätzlicher Rettungshubschrauber unter dem Rufnamen “Lifeliner 5“ temporär für Infektionstransporte zur Verfügung. Die Maschine der ANWB-MAA vom Typ H145 wird besetzt durch ANWB (Piloten) und das Mobiel Medisch Team (MMT – Krankenpfleger und Anaesthesisten) in Kooperation mit der Universitätsklinik Radboud. Der Heli stehe von morgens 07:00 Uhr bis abends 19:00 Uhr bereit. Die Crews flögen mit Schutzausrüstung und der Helikopter werde nach jedem Einsatz desinfiziert. Es sei möglich, dass der Stationierungsort später noch geändert werde.
Wie von unserem Leser @melarnoo berichtet, fliegt "Lifeliner 5" in den Niederlanden Einsätze speziell für Infektionspatienten. https://t.co/XBqfCDi4Eu
— rth.info (@rthinfo) March 25, 2020
Um geeignete Transportbedingungen zu schaffen, habe man sich bewusst für die größere H145 entschieden. Die anderen “Lifeliner“ fliegen mit den kleineren Maschinentypen EC 135 bzw. H135.
Österreich
Die Luftrettung in Österreich ist in den Winter- und Frühjahrsmonaten stark auf den Skitourismus ausgerichtet, für den viele Hubschrauber extra bereitgestellt werden. Viele davon werden von privaten Betreibern nahe den Skigebieten disloziert (z.B. in Obergurgl oder Schruns); diese Notarzthubschrauber lassen sich wirtschaftlich betreiben, weil die Kosten der Einsätze den Patienten privat in Rechnung gestellt werden. Teilweise bestehen Kooperationen mit Privatkliniken zur Versorgung der Unfallpatienten. Diese Hubschrauber stehen mit dem vorzeitigen Ende der Skisaison zumindest teilweise nicht mehr bereit. Siehe dazu auch unser Artikel von vorgestern.
Luxembourg
In Luxemburg läuft der Betrieb der Rettungshubschrauber weiter. Sie wurden ebenfalls bereits eingesetzt um infizierte Patienten aus dem französischen Mulhouse nach Luxemburg auszufliegen:
Ergänzung von 23 Uhr
Der offenbar allererste RTH-Transport aus dem Elsass in ein deutsches Klinikum wurde bereits am 21. März vermeldet. Er führte den Heli der französischen SAMU in die Stadt Freiburg im Breisgau – wir hatten den folgenden Tweet dazu auf unserem Twitter-Account geteilt:
Tous ensemble: Arrivée des premiers patients alsaciens à l’@Uniklinik_Fr.
— Germany in the EU (@GermanyintheEU) March 21, 2020
Working together in the fight against #Covid_19: Arrival of the first patients from Alsace/France at @Uniklinik_Fr/Germany. ??????#EuropeUnited #AmitieFrancoAllemande @RPFranceUE
pic.twitter.com/4KfNTg1zf1
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- 25.03.2020 Corona-Pandemie beeinflusst Luftrettung und Intensivtransport stark
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