Vorstellung des “Christoph 112“ an der BG-Unfallklinik Ludwigshafen
18.04.2020
Ludwigshafen (RPF) :: In einem gemeinsamen Pressetermin haben die BG-Unfallklinik Ludwigshafen, die ADAC Luftrettung und das DRK Rheinland-Pfalz am gestrigen Freitag, den 17. April 2020 den Intensivtransporthubschrauber “Christoph 112“ vorgestellt. Diesen Hubschrauber stellten die drei Organisationen binnen weniger Tage an der BG-Unfallklinik Ludwigshafen bereit, nachdem das Land Rheinland-Pfalz diesen Hubschrauber für interklinische Transfers angefragt hatte. Die H145 wird von ihren Crews jeden Tag von 8 bis 20 Uhr in Bereitschaft gehalten; bei Bedarf werden auch Einsätze außerhalb dieser Zeiten durchgeführt, und ein 24h-Betrieb könnte – sofern er angefragt wird – kurzfristig eingerichtet werden. Es darf jedoch damit gerechnet werden, dass die meisten Verlegungsflüge von Covid-19-Patienten nicht nachts stattfinden müssen, da sie nicht völlig unplanbar sind. Trotz seines numerischen Rufnamens ist “Christoph 112“ ein Intensivtransporthubschrauber (ITH). Er kann jedoch sehr wohl auch subsidiär für primäre Rettungsflüge angefordert werden. Die Alarmierung erfolgt über die Ludwigshafener Leitstelle. Anforderungen sind auch aus anderen Bundesländern oder sogar international möglich. Die Vorhaltung ist zunächst bis zum 30.9. befristet.

von li.: P. Grützner (BGU), R. Lewentz (Minister des Innern und für Sport in RLP), M. González (DRK RLP), S. Dieffenbach (Geschäftsführerin BGU), M. Münzberg (BGU), R. Neu (ADAC Luftrettung)
Foto: Patrick Permien
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Minister: ITH sei “starkes Signal“
Roger Lewentz, der rheinland-pfälzische Minister des Innern und für Sport, betonte die Leistungsfähigkeit und Belastbarkeit der BG-Unfallklinik – sie sei ein wichtiges Kriterium bei der Standortwahl gewesen. Da an der BGU bereits der Rettungshubschrauber “Christoph 5“ steht, ist darüber hinaus bereits die erforderliche Infrastruktur für den Flugbetrieb und die medizinische Logistik vorhanden.

Christoph 112 startet am Tag des Pressetermins zu einer Verlegung eines Covid-19-Patienten
Foto: Patrick Permien
Die Rechtsgrundlage, auf welcher die befristete Stationierung erfolgte, sei die Corona-Bekämpfungsverordnung. Die Pressemitteilung des Landes vom 3.4.2020 (siehe Weblinks) spricht von einer “Vereinbarung“ zwischen Land und ADAC Luftrettung “zur temporären Vorhalteerweiterung“ in Ludwigshafen. Außerhalb von Krisenzeiten wird der Betrieb von Luftrettungszentren ausgeschrieben; dies schied für die Beteiligten aus, um den ambitionierten Zeitplan angesichts der wahrgenommenen Dringlichkeit einhalten zu können. Der Minister betonte, er sehe die schnelle Bereitstellung des zusätzlichen ITH als “starkes Signal an die Bevölkerung“.
ADAC Luftrettung: Reaktionen auf die Pandemie
Für Rüdiger Neu, Regionalleiter Flugbetrieb Süd-West bei der ADAC Luftrettung, ergab sich aus der Anforderung des Landes viel Arbeit in kurzer Zeit, um den Betrieb dieses “einzigartigen Hubschraubers“ schnellstmöglich aufnehmen zu können. Neu sprach zur Presse in Vertretung von Geschäftsführer Frédéric Bruder, der kurzfristig absagen musste. Neu erläuterte Maßnahmen an Stationen der ADAC Luftrettung in der aktuellen Pandemie-Situation: So habe sie kleine Teams mit möglichst wenig Fluktuation gebildet, um die Ansteckungsrisiken bei den Crews auf kleine Personenkreise zu reduzieren. Sie habe Kosten für die Betreuung von Kindern der Angestellten übernommen und interne themenspezifische Schulungen abgehalten; inklusive Schulungsvideo zur Reduzierung persönlicher Kontakte. Bisher verzeichne man keine Personalengpässe.

ADAC Luftrettung verzichtet bewusst auf Isoliertragen
Foto: Patrick Permien
Neu verkündete, die ADAC Luftrettung werde die Polizeihubschrauberstaffel des Landes Rheinland-Pfalz zum Thema Durchführung von Infektionstransporten schulen – wenngleich Stand heute die Wahrscheinlichkeit gering sei, dass ein entsprechender Bedarf entsteht. Neu dankte Minister Lewentz für sein Vertrauen, der BG für ihre Rolle als “starker Partner“ und dem DRK u.a. für die Bereitstellung des benötigten Personals binnen weniger Tage.
Manuel González vom DRK Rheinland-Pfalz dankte in seinem anschließenden Statement dem Ministerium und den anderen eingangs genannten Partnern für die Zusammenarbeit “auf Augenhöhe“ bei den Vorbereitungen zur Inbetriebnahme von “Christoph 112“.
BGU: “Demut und Stolz“
Für die Unfallklinik sprach Prof. Dr. Grützner, Ärztlicher Direktor und Mitglied der Klinikleitung. Er betonte, die BGU sei Zentrum für Notfallmedizin, keine Spezialklinik für Covid-19-Patienten. Er erwarte jedoch vermehrt die Entstehung bzw. Herausbildung solcher Zentren, und erwarte daher einen steigenden Bedarf für Intensivtransporte zu diesen Zentren hin; daher sehe er den ITH “Christoph 112“ positiv. Er betonte, solche Intensivtransporte könnten den Zustand der Covid-19-Patienten erheblich verschlechtern, wenn sie nicht fachgerecht ausgeführt würden.

Christoph 5 steht weiterhin ganz normal für Rettungsflüge zur Verfügung: Hier beim ersten Abflug des 17.4. am frühen Nachmittag. Im Hintergrund Gasthubschrauber Christoph 66
Foto: Patrick Permien
Die Pandemie bezeichnete Grützner als “Stresstest“ für unser Gesundheitssystem, unsere Wirtschaft und unsere Freiheit in Deutschland – wir seien als Gesellschaft “mittendrin“ in dieser Krise, hätten das Geschehen jedoch bislang “exzellent gelöst“. Er forderte ein, das Gesundheitswesen müsse jetzt bei einer positiven Entwicklung der Statistiken verstärkt wieder “an andere Patienten denken“. Die Infektionstransporte seien gleichermaßen eine Aufgabe zur Versorgung schwerstkranken Patienten und für die Crewmitglieder eine Bedrohung. Dass die BGU – unter anderem eben mit “Christoph 112“ – einen Beitrag zur Bewältigung der Krise leiste, erfülle ihn mit “Demut und Stolz“ – und das merkte man ihm in diesem Moment auch deutlich an.

Pressegespräch mit Prof. Grützner von der BGU
Foto: Patrick Permien
Einsatztaktik und -ausrüstung
Rüdiger Neu erläuterte der Presse, dass “Christoph 112“ unter anderem bereits einen ECMO-Transport durchgeführt habe, bei dem neben dem Patienten auch zwei Klinikmitarbeiter transportiert worden seien. Hier hätten sich Leistungsreserven und Geräumigkeit der H145 ausgezahlt. Die H145 sei zudem mit Wetterradar und Klimaanlage für längere Verlegungsflüge besonders geeignet. Sichtflugbedingungen seien aber stets notwendig.
Die ADAC Luftrettung habe zwei Typen von Isolationstragen auf ihre Tauglichkeit geprüft: Die “EpiShuttle“ und die tragbare Isolationskammer “IsoArk“. Ihre Verantwortlichen hätten sich bewusst gegen den Einsatz dieser Systeme entschieden: Die Zugänglichkeit der Intensivpatienten auf der Isolationstrage sei zu schlecht, und es bestünden bei einer möglichen Verschlechterung des Patientenzustandes zu geringe Handlungsmöglichkeiten – so sei auch eine etwaige Reanimation ausgeschlossen. Das ist interessant, weil die DRF Luftrettung kürzlich die “EpiShuttle“-Isolationstrage eingeführt und dies auch über verschiedene Pressemitteilungen und andere Kanäle kundgetan hatte. Dabei verwies sie auf den Schutz von Crews und Patienten vor Ansteckung, sowie auf die aufwändige Deskinfektion des Hubschraubers, welche ohne Isoliertrage nötig wird. Die DRF Luftrettung verwies in dem Zusammenhang mit der Anschaffung der Tragen auf die Stückkosten von 40.000 Euro, und dass sie hierzu auch auf Spenden setze. Eine eingehendere Beurteilung und Gegenüberstellung der Vor- und Nachteile der Isolationstragen muss den Fachexperten überlassen bleiben.

Christoph 112 beim Pressetermin vor der Kulisse der BGU
Foto: Patrick Permien

Christoph 66 aus Eßweiler, der später am 17.4. zu Gast an der BGU war, ist von der Maschine her baugleich zu Christoph 112. So hat das Bundesland aktuell eine sehr hohe Dichte an Luftrettungsmitteln
Foto: Patrick Permien
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